336 Die heraldische Lilie
Heiligkeit der Bienen, die man für geschlechtslos hielt (vgl. Ed.
hahn, Bienenzucht, in Boops Reallexikon).
Es war häufig im Verlaufe dieser Untersuchungen hervorzuheben, daß Denk—
nälerforschung nicht Selbstzweck sein darf, sondern sich der größeren wissenschaftlichen
Zusammenhänge bewußt bleiben muß, denen sie zu dienen hat; denen sie zu dienen
hat wenigstens soweit, als sie wissenschaftliche Arbeit zu sein behauptet; also abge—
sehen von dem bloßen Sammeln von Altertümern und der Freude an diesem Alter—⸗
tum als solcher. Gegen diese soll natürlich an sich nicht das mindeste eingewendet
werden; es ist nur für sich allein noch keine Wissenschaft, oder wenigstens höchstens
Dorbereitung dazu, Stoffsammlung. Da aber alle Geistes- oder LKulturgeschichte, der
die Denkmälerforschung dienen soll, schließlich zu der obersten für dieses Volk und
ein Kulturstreben maßgebenden Wertung hinaufführt, kann und soll meines Erachtens
eine Untersuchung wie die vorliegende nicht vermeiden, auf jene obersten Ziele des
Uulturstrebens und damit auch der kulturgeschichtlichen Forschung hinzuweisen; wo der
Zusammenhang daraufführt; wenn man auch damit freilich auf eine sehr umstrittene
und umstreitbare oberste Frage gelangt und im Grunde nur Uberzeugungen aus—
sprechen, nicht Beweise bringen kann.
Auf den Zweifel, der die Räte des Herzogs Maximilian von Bayern plagte,
als sie die Verordnung gegen Aberglauben vom Jahre 1611 verfaßten, nämlich was
ist denn nun christlich, was ist abergläubig, fanden sie ja eine verhältnismäßig ein⸗
fache Auskunft; sie überließen die Lösung oder die Unterscheidung von Glauben und
Aberglauben einfach der nach ihrer Meinung zu dieser Unterscheidung schlechthin berufenen
aund fähigen Stelle, der Kirchenbehörde. Aber die Sache ist nicht so einfach wie die
Käte Marimiliins von Bapern sich dachten. Erstens ist selbst die katholische Kirche
— sehr erfreulicherweise — keineswegs so gleichmacherisch und derart unter eine
einheitliche zwingende Formel des Glaubens zusammengefaßt, als es der Lehre
nach und auf dem Papier scheint. Die örtlichen Stellen lassen vielmehr gar manche
Besonderheit zu, die nicht kirchenamtlich ist. Die örtlichen Stellen haben vielfach
Ehrfurcht vor der Ehrfurcht“; nämlich vor dem, was das Volk nun einmal verehrt;
auch wenn dies tatsächlich uralter heidnischer Bestand ist und nur die Namen christlich;
wenn nur die drei Schicksalsschwestern oder Nornen, deren Verehrung schon Burchard
von Worms ums Jahr 1000 verbietet, nun in einer rührenden Sprachklitterung oder
Volksethymologie Einbetha, Wolbetha und Vielbethäa genannt werden:; wie in
Schlehdorf am Kochelsee.“o)
Diese Embett, Worbett, Willbett sind kirchenamtlich nicht als Heilige anerkannt
und werden an anderen Stätten ihrer Verehrung, wie 3. B. auf dem Bergle bei
Bengenbach im Schwarzwald, von der Kirchenbehörde wegen ihrer unchristlichen
Hergangenheit beseitigt (vgl. oben Abschnitt 149). Also die Frage, was ist christlich,
was ist unchristlich, wird selbst innerhalb der katholischen Kirche nicht schlechthin
einheitlich beantwortet; so stark die Kirche auf einheitliche Zusammenfassung der
0 Vgl. Sulzbacher Kalender für katholische Christen fürs Jahr 1861, —
Man schmähe nur nicht“, schreibt Johann Nepomuk Sep p, „über das deutsche Heiden—
tumz es ist die vorbildliche Religion und vom Christentum nicht zu trennen. Wir
sind Kinder der Heiden und unser Volksleben ist dasselbe geblieben“. Joh. Nep.
Sepp, Die Religion der alten Deutschen und ihr Fortbestand, S. XII, XV: „Wir
haben allen Grund, unseren alten Nationalglauben hochzuhalten. .... Was im
Glauben der Väter wurzelt, geht nicht mehr unter. Jede jüngere Religion über⸗
nimmt das Inventar der älteren. ... Rom, die alte Heidin, schöpft ihre
neuen Dogmen einfach aus der Mpthologie“. Sepp war gut katholisch und ist in
Frieden mit seiner Kirche gestorben.