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Die Bandverschlingung
Casteyrie, L'architecture religieuse en France, 5. 212, schreibt:
„Die Wahrheit ist, daß die Naturvölker, welche in das römische
Reich einbrachen und besonders die, die sich Galliens und Gber—
italiens bemächtigten, die Franken, Burgunder, Westgoten, Cango—
darden, eine Kunstweise besaßen, die ihnen eigentümlich war.“
Die Langobarden, „ein Volk, das selbst für Germanen als
besonders hartnäckig gelten muß“ (gens étiam germana ferocitate
ferocior), haben auch im Welschland ihre Eigenart gepflegt und
festgehalten; in der Rechtsform ihres Gemeinwesens und in anderen
Dingen. Paulus Diakonus, der Geschichtsschreiber der LCangobarden,
berichtet ausdrücklich, daß in den Bildern der langobardischen
Ruhmeshalle, die Königin Theudelinde in Monza ausführen ließ,
„man den Haarschnitt und die Kleidung dieses Volkes erkennen
önne“. Auf einer goldplattierten Erzscheibe, die im Bargello in
f5lorenz aufbewahrt wird, ist der Langobardenkönig Agilulf dar—
zestellt mit Gefolge (Abbildung bei Gröbbels, Reihengräberfund
von Gammertingen); er trägt einen spitz geschnittenen Vollbart und
sein Gefolge ahmt seine Barttracht nach, wie das Gefolge Karls
des Großen dessen herabhängenden Schnurrbart trug, das Gefolge
Wilhelms II. dessen aufgedrehten. Das Gefolge trägt Helmbusch
in ziemlich genau der gleichen Form wie wir ihn noch getragen
haben. An dem Helm von Ganmertingen ist die Vorrichtung zum
Einsetzen des Helmbuschs noch erkennbar. Die Cangobarden hielten,
auch nachdem sie die lateinische Volkssprache angenommen hatten,
ioch lange ihre Namen fest. Der Urheber des Theoderichbildes
an St. Zeno in Verona nennt sich Willigelmus. Die deutschen Namen
haben sich in den oberitalienischen Sitzen der Langobarden ja sehr
lange gehalten; bis zu dem italienischen Volkshelden des 19. Jahr⸗
hunderts Garibaldi, der den Namen von Garibald, dem bayrischen
Schwiegervater des Cangobardenkönigs Autari, trägt.
Gustav Kossinna hält die verzierten CLanzenspitzen für eine Be—
sonderheit der Ostgermanen. Der Bestand an Funden ist ja leider
er zugab, den Langobarden zuzuschreiben sei, obwohl sie zeitlich erst mit diesen zu—
zleich auftritt. Neuerdings hät br. Carlo Cecchelli in seinem Werk über die
Taufkirche in Cividale (vgl. den Bericht von Albrecht Hhaupt in der Seemannschen
lunstchronik, Sept. 1921) die Wertung jener Kunst neu angeregt Es ist übrigens
geschichtlich völlig unrichtig, daß der Gberitaliener sich als welsch fühlt; er darf ruhig
den Adelsbrief eines starken germanischen Bluteinschlags für sich in Anspruch nehmen.
Hobineau erzählt in seiner Ethnographie Frankreichs, die Süditaliener hätten die
Piemontesen Viktor Emmanuels Tedeschi genannt und bemerkt dazu, diese Bezeichnung
sei ethnographisch wahrscheinlich berechtigt. Bei der italienischen Niederlage im
Spätherbst 1917 ritten die piemontesischen Reiterregimenter, deren Offiziers korps sich
vorwiegend aus dem alten langobardischen und goͤtischen Adel zusammensetzt, nach
Sermanenweise in den Tod. als die Süditaliener wegliefen.