Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Ausblicke 
der Throne, auch des Cudovisischen, ganz sicherlich nicht geschaffen. 
Dabei wird kein besonderer Wert gelegt auf den starken Zeichen— 
fehler bei dem übergeschlagenen Unterschenkel der nackten Flöten— 
spielerin; auch nicht auf die auffällig moderne Art, wie der Pfühl 
lich unter das Gesäß schmiegt, wohl aber auf die Art des Flachstils. 
Man vergleiche einmal mit dem Parthenonfries; bei der Flöten— 
spielerin erscheinen der Schenkel und der Oberarm, die Lenden so, 
als ob sie höher erhaben gewesen wären und dann an den hervor⸗ 
stehenden Teilen bewußt wieder eingedrückt wären; wie als ob 
dem Künstler plötzlich eingefallen wäre: halt, ich soll ja einen 
frühen, möglichst flachen Reliefstil zeigen. Ich gebe natürlich zu, daß 
solche Behauptungen, die letztlich auf einen künstlerischen Eindruck, also 
auf ein Empfinden zurückgehen, einem andern nicht durch Beweise 
schlechthin zwingend gemacht werden können. Ich wage diesen 
Lindruck trotzdem auszusprechen; ich hatte einen guten Abquß der 
Flötenspielerin jahrelang täglich vor Augen. 
Ich füge diesen absichtlich der Antike entnommenen Beispielen 
es kommt natürlich in unserem Zusammenhang nicht darauf 
an, ob man der darin geäußerten Ansicht über die beiden Kunst— 
werke inhaltlich zustimmt oder nicht — einen kurzen Hinweis auf 
in besonderem Sinne denkmälerkundliche Fragen aus dem Verlaufe 
dieses Buchs hinzu; ob man die Flachbilder, die sich lediglich in 
zwei Flächen bewegen und die an Bolzarbeit erinnern, einer be— 
stimmten Zeit, karolingischen oder merowingischen, zuschreiben kann; 
wie Clemen und andere (fF. Schneider) glauben; was vor allem 
für das von mir als Darstellung Wodans angesprochene Flachbild 
von Dunningen wichtig wäre; ob die gehäuften Armringe am 
Tübinger Flachbild und anderwärts die Bedeutung haben, die ich 
hnen zusprechen zu dürfen glaube; ob, wie ich allerdings hoffe, 
der für die ineinander geschobenen Kreise und für die sternförmigen 
Hebilde zusammengetragene Stoff reichlich genug ist, um zu be— 
weisen, daß sie nicht rein ziermäßig verwendet, sondern religiöse 
Sinnbilder waren; ob, was ich nun allerdings unterstützt durch 
Stellen der schriftlichen Überlieferung bewiesen zu haben hoffe, der 
Mann im Kreuzgang zu Berchtesgaden den einarmigen Fiu dar— 
stellt; ob der behauptete bildgeschichtliche Zusammenhang zwischen 
dem Wildberger Steinbild und den Hirsauer Turmgestalten besteht: 
weiter zwischen diesen und den Gnomen und so fort. 
Nun birgt aber das Sammeln und Vergleichen alter Denk— 
mäler teils durch den Altertumsreiz, teils durch den vielfach — 
bei den in diesem Buch untersuchten Denkmalen allerdings nur 
zum kleineren Teil — vorhandenen künstlerischen Reiz, eine be—
	        
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