Ausblicke
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Drei Hebel halten das gesellschaftliche Getriebe hauptsächlich im
Gange; sie muß jedes Gemeinwesen benutzen; diese sozialen Hebel sind
zwang, CLohn und Gemeinsinn. Die nach der natürlichen Eigen—
sucht stets mehr oder minder auseinanderstrebenden Einzelnen müssen
durch Zwang und Befehl, vor allem durch die gewaltsame Unrechts⸗
abwehr, zusammengehalten werden; wo dieser Hebel, der Rechts—
zwang, nicht ausreicht, der allemal nur das Gröbste besorgen kann,
muß der Lohn oder die Gewinnhoffnung als Triebkraft eingespannt
werden. Alle höheren Leistungen für die Gesamtheit aber, alles
was innigere Hingabe an die Sache erfordert, können nur erzielt wer—
den, wenn man die Menschen an ihren eigentlich sittlichen Antrieben
faßt, die, entstanden aus der langdauernden Hilfsbedürftigkeit aller
höheren CLebewesen in der Kindheit und aus dem dadurch bei
Strafe des Untergangs der Art erzwungenen Opfersinn der Eltern
für die Jungen, an sich ebenso gegeben sind wie die eigennützigen
Antriebe.
Alle höhere Leistung ist von Menschen nur zu erreichen,
wenn man sie von innen her, von der Gesinnung aus anfaßt:
am Glauben oder Ehre und Gewissen; oder auch Opfersinn;
eben jene nicht mehr durch verstandesmäßige Abwägung von
Vorteil und Nachteil oder durch den sogenannten wohlverstandenen
Eigennutzen erklärlichen Antriebe; „die religiösen Antriebe“, könnte
man auch sagen, wenn man nur den Begriff des Religiösen weit
genug faßt.72)
Alle Weltmächte müssen neben dem Zwang die Gewinnabsicht
der Menschen als Haupthebel der Zusammenarbeit benutzen; da
mit dem Verlust der völkischen Geschlossenheit des Gemeinwesens
und des daraus entspringenden Gemeinschaftsgefühls notwendig und
überall die religiössen oder Gesinnungsantriebe geschwächt und
chließlich getötet werden.
Die Verfahrensweise der großen Weltmächte, der zwischen—
völkischen oder internationalen Mächte, muß notwendig eine andere
sein als die der völkischen Gemeinwesen. Alle Weltmächte müssen
auf entwickelteren Wirtschaftsstufen Geldmächte werden und sie
u12) Martin P. Nilsson, Primitive Religion, S. 5. „Das Gebiet der Re—
ligionswissenschaft sind die nicht vernunftmäßig zu erläuternden Reste in der Vor⸗
tellungswelt der Menschen und die daraus hervorgehenden Handlungen.“ Das „nicht
vernunftmäßig“ bedarf dabei wohl einer Erläuterung. Darunter sind hier offenbar
zu verstehen Bandlungen, bei denen der Entschluß nicht durch Abwägung von Nutzen
und Gefahr und durch die überwiegende Aussicht auf persönlichen Vorteil bestimmt
wird; die Erwägungen, die dem Durchschnitismenschen und einer vorherrschend
auf das Wirtschaftliche gerichteten Auffassung als die allein verständigen erscheinen;
im Gegensatz zur Triebhaftigkeit oder derjenigen Entschlußbestimmung, die mehr
unmittelbares Erlebnis als Ubwäqung von Gründen und Gegengründen ist.