Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Ausblicke 
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erschienenen deutschen Kunstgeschichte hervorgehoben — und es 
war wichtig, daß das einmal hervorgehoben wurde — daß der 
Vertreter der Kunstgeschichte das Kunstwerk, dessen Entstehungs— 
bedingung er zunächst rein geschichtswissenschaftlich zu erforschen 
suche, auch auf sich wirken lasse, als künstlerischen Wert für ihn 
und heute, und daß er diese Wirkung ausspreche. Dieses Ge— 
schmacksurteil ist aber letztlich persönlich; d. h. es fällt nach der 
einzelnen Seele und ihrer Eigenart verschieden aus, was ihr 
zweckfreie Freude schafft; was ihr künstlerisch hochsteht. Ist dieses 
Werturteil ichtümlich bedingt, so ist es natürlich erst recht völkisch 
bedingt; wenn auch in einer nach Abstammung und Schicksalen sich 
nahestehenden Menschengruppe d. h. in einem bestimmten Volkstum, 
die Geschmacksäußerungen ihrer Mitglieder eine gewisse Gleich— 
artigkeit und Üübereinstimmung zeigen werden. 
Man hat gesagt, das nordisch⸗germanische Kunststreben sei mehr 
auf das kennzeichnende oder das charakteristische gerichtet; das 
südländische mehr auf das schöne. Man hat auch einen Gegensatz 
zgebildet von Darstellungskunst und Ausdruckskunst und die letztere 
als die germanische Form bezeichnet. Benjamin Constant, Reise 
durch die deutsche Kultur, 5. 48, kennzeichnet dies einmal folgender— 
mnaßen:178) 
„Der Franzose sagt: sieh, wie ich die Gegenstände beschreibe, 
der Deutsche, sieh welchen Eindruck die Gegenstände auf mich 
machen.“ 
Der nordisch empfindende Künstler — wie man neuestens sagt, 
der Gotiker — ringt um den Ausdruck; der so Geartete empfindet 
den als den höchsten Künstler, der nicht an die spätere Wirkung 
seines Werks denkt, der am restlosesten und am rücksichtslosesten 
und ohne Absicht auf die anderen, auf die späteren Genießer dieser 
Uunst, das zum Ausdruck gebracht hat, was ihn erfüllte; 
wenn und soweit dieser subjektive Ausdruck später auf andere 
wirkt; die Kraft hat, sich andern mitzuteilen und sie zu beeindrucken. 
Das Streben nach dem Schönen bedeutet leicht ein Streben nach 
dem, was allgemein geschätzt wird; es führt leicht zu einem Rück— 
sichtnehmen des Schaffenden auf den künftigen Beschauer oder 
Henießer. Jedes Denken an die spätere Wirkung des Werks birgt 
in sich etwas, das die Wahrhaftigkeit des Ausdrucks beeinträchtigt. 
8) Benjamin Constant schreibt das im Jahre 1804. Man sieht daraus, 
daß die Unterscheidung von Darstellungskunst und Ausdruckskunst keineswegs so neu 
ist. Richard Benz, Die Grundlagen der deutschen Kunst, Bd.l Mittelalter 5. 88: 
„Der Deutsche geht in allen seinen künstlerischen Außerungen nicht auf Darstellung 
aus, wie der antike Mensch, sondern auf Ausdruck“
	        
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