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Der Hain des Schwertgottes
Ein gutes Beispiel für solche übertriebene, wenn auch einem
an sich lobenswerten „kritischen Bestreben“ entspringende Zweifel⸗
ucht bietet gerade die Germanenforschung in ihren Anfängen; „der
große Zweifler Agrippa von Nettesheim“ erklärte, nachdem er die
Unechtheit des sogenannten Berosus richtig erkannt hatte, der Ein⸗
fachheit halber nun auch den Jordanes, Widukind, Gregor von
Tours, Paulus Diaconus und Tacitus für Fälschungen (vgl. Theo⸗
bald Bieder, Geschichte der Germanenforschung).
Die zierlichen, fast überzierlichen Füllungen von Faurndau bei
Göppingen, vorwiegend pflanzlicher und selbst rein linienhafter Art,
sind wohl bloße Verzierung und ohne sinnbildliche Absichten; min⸗
destens müssen wir dies zunächst annehmen. Es fehlt ja, wie schon
betont, noch an einer besonders ausgebildeten deutsch⸗mittelalter⸗
lichen Denkmälerkunde; im Gegensatz zu der eingehenden Pflege
der griechisch⸗römischen Denkmäler in unserem Wissenschaftsbetriebe.
Die Drudenfüße im Innern der Faurndauer Kirche 18) haben
aber sicherlich eine solche besondere Bedeutung; sie sollen unheil—
abwehrend die bösen Geister ferne halten, die bekanntlich — man
denke an die Stelle im Faust — durch das Zeichen des Druden—
fußes gebannt werden. Eine bayerische Verfügung von 160 gegen
Aberglauben erwähnt noch ausdrücklich den Fünfstern. „Die Grenze
zwischen bedeutungsvoller Symbolik und bedeutungsloser Orna—
mentik ist im Mittelalter stets fließend gewesen. ..“19) Es gibt
aber Fälle, wo aus der Art der Darstellung erhellt daß sie nicht
lediglich dem Schmuck dienen will, sondern eine weitergehende Be—
deutung haben soll. Es gibt Bilder, die einen besonderen Sinn
haben müssen, weil ohne diesen der Künstler sie sicherlich nicht
in dieser Weise gestaltet hätte; weil sie, wenn lediglich als Zier
gemeint, völlig verfehlt wären und in offenbarem Widerspruch
tünden mit dem sonstigen Können und der ganzen Art des be⸗
treffenden Künstlers. Und das ist der call mit den Schwertslocher
Füllungen.
Der ungebogene Dreizink- oder sagen wir die vereinfachte Kerze
oder Lilie, die zwei gekreuzten Lilienstengel sollten ganz sicher etwas
besonderes sagen. Ein anderes Bogenfeld zeigt einen adlerähnlichen
Vogel, der eine Schlange zu verschlingen scheint. An der Liebfrauen—
kirche in Neuenburg in der Schweiz findet sich eine ganz ähnliche Dar—
stellung als Steinmetzzeichen. „Blavignac nimmt an, daß es Stein—
netzen der Züricher Bauhütte waren, die von der Gräfin Reainlinda
is) Abbildung bei Eduard Panlus, Die Kunst⸗ und Altertumsdenkmale im
Königreich Württemberg; ähnlich in Herrenalb, Abbildung eben dort.
ish ßBeinrich Beraner, Bandbuch der kirchlichen Kunstaltertümer, S. 557.