Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Ausblicke 
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verdammte lateinische Rasse, die der Teufel hole . . . Ich fühle 
mich nur mit Ceuten aus dem Norden wohl“. Man kommt immer 
wieder auf den furchtbaren Fehlgriff der europäischen Geschichte, 
daß die Teilungen von 843 bzw. 870 so völlig verkehrt waren. 
Deutschland ist anthropologisch viel einheitlicher als Frankreich, 
das ja auch durch die Wasserscheiden in eine Nordseewelt und eine 
Mittelmeerwelt zerfällt. In Deutschland ist Mitteldeutschland am 
meisten rassisch gemischt; daher auch staatlich am zerfahrensten und 
derzeit politisch am haltlosesten und rötesten; der Oberbayer und 
der Niedersachse dagegen verstehen sich an sich sehr gut. 
Der Kampf der südlichen, mittelmeerländischen, an— 
tiken Cebensform und Geistesart mit der nordeuro— 
päischen, germanischen nachchristlichen ist der Kern 
der europäischen Kulturgeschichte und man kann es als den 
hauptgegenstand der deutschen Geistesgeschichte oder der Germa— 
nistik bezeichnen, sich dieses Gegensatzes bewußt zu wer— 
den. Die mittelländische, antike Kultur war zeitlich früher da und 
sie hatte das große Übergewicht der wirksameren schriftlichen Über— 
lieferung. Das Alte Testament und das Corpus juris bilden, wenn 
man einzelne Faktoren in dieser großen, weite Zeiträume über— 
spannenden Entwicklung nennen will, die gewaltigsten Waffen 
jenes Kampfes der Mittelmeerwelt gegen die Nordseewelt; oder, 
um mit Heinr. Wolf zu reden, Asiens gegen Europa; und man kann 
drei besondere Stufen jenes Wiedervordringens der Mittelmeerwelt, 
nach ihrem Sturz durch die Germanen, unterscheiden; die karo— 
lingische Renaissance, mit der der römische Weltstaatsgedanke wieder 
hervortrat, und später im römischen Kaisertum deutscher Nation 
seine Wirkung ausübte. An zweiter Stelle die im besonderen Sinne 
sogenannte Renaissance, deren verhängnisvollste Wirkung außer 
der Vernichtung der Gotik die Annahme des römischen Rechts in 
Deutschland war. Als die dritte Etappe jenes Vordringens kann man 
den sogenannten Klassizismus bezeichnen; er beginnt mit der französi— 
schen Revolution und der klassizistischen Umformung des gallisch— 
fränkischen Staatswesens durch Napoleon; diese leitet, wie Goethe 
schon erkannt hat, die Umsturzzeit überhaupt ein, die — vorläufig 
— den Sieg der mittelmeerländischen, nämlich geldmächtlich-welt— 
staatlichen Form über Deutschland im Jahr 1018 gebracht hat. 
Im Rheinland sagte vor einiger Zeit ein englischer Offi— 
zier zu einer deutschen Frau: „Außerlich und nach den nächsten 
und tatsächlichen Ergebnissen haben wir ja gesiegt; aber 
moralisch ist Isr Vaterland der Sieger.“ Der Brite erklärte be— 
greiflicherweise nicht näher, was er damit meinte. Er wollte wohl
	        
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