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Der Untergang der alten Götter
den Oberkiefer des Wolfes und reißt ihm den Rachen entzwei, und
dadurch findet der Wolf seinen Tod.“
Nach einer anderen Form der Überlieferung, in der Völuspa,
sttößt Widar dem Wolf die Klinge ins Herz. Die verschiedenen For—
nen der Sage können natürlich leicht ineinander übergehen; so auch
auf unserer Säule.
Hhermann Schweitzer, Geschichte der deutschen Kunst, 1505, sagt
oon den Bildhauereien in Freising, Straubing, Altenstadt: „Es sind
die Erinnerungen an längst verklungene Mythen, an Sigurds Kampf
gegen den goldhütenden Drachen, Wuotans und Donars Streit
gegen die Midgardschlange.“
Die oben als Widar vermutete Gestalt trägt nach germanischer
Sitte den Sporn nur an einem Fuß; sie trägt Schwert und Schild wie
ein Ritter der SFeit. Dieser letztere Punkt ist nicht unwichtig. Das
wird unten für die Deutung der Drachenkämpfer von Altenstadt bei
Schongau, Andlau, Basel, Straubing noch näher auszuführen sein.
Adolf Goldschmidt will in seinem Buch über den Albanipsalter all—
gemein die Darstellungen von Drachenkämpfen und besonders die
Bekämpfung eines Untiers, das einen Menschen schon halb ver—
schlungen hat, durch einen zu Hilfe eilenden Kämpfer, in geistigem
und übertragenem Sinne deuten als die Seele im Kampfe gegen die
Sünde, die die Hilfe Gottes herbeiruft. Auf dem Psalterbild, das
Goldschmidt für die Richtigkeit seiner Auffassung anführt, ist aber
der Helfer deutlichst durch Heiligenschein, Gewand, Haar- und Bart—
tracht als Christus gekennzeichnet. Der Helfer in Freising, Altenstadt,
Straubing, Basel, Andlau (vgl. unten) dagegen trägt überall die
Waffentracht seiner Zeit. In Basel trägt er sogar ein Wappen auf
dem Schild, was für die damalige Zeit einer Namensbezeichnung
gleichkommt. In Andlau (vgl. den unten anzuführenden Aufsatz von
Georg Weise) halten hinter dem Kämpfer seine Knappen die Pferde.
Dadurch ist bei diesen Darstellungen die Deutung Goldschmidts ein—
fach ausgeschlossen. Man hat den zu Hilfe eilenden Kämpfer in Alten—
stadt und Straubing (vgl. unten) als den hl. Michqael erklärt. St.
Michael erscheint aber, in ganz fester Überlieferung, immer nur mit
Flügeln?7), in anderem Gewande; in ganz anderem Größenverhältnis
zum Cindwurm; und in ruhiger Haltung des Siegers: nicht wie hier
im schwersten Kampfe begriffen.
Das steinerne Flachbild des heiligen Michael auf dem Hohen—
zollern zeigt ihn in dieser bildgeschichtlich vorgeschriebenen und fest—
2) Auf einem Teppich im Dom zu Balberstadt ist ein Kämpfer ohne Flügel
dargestellt, der als hl. michael angesprochen wird; vgl. Georg Dehio, Deutsche Kunst-
geschichte, Bd. J1. Abbildung Nr. 386. Das wäre eine der sehr seltenen Ausnahmen.