Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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St. Jehanns Minne 
zu dem vorchristlichen religiösen Vorstellungsgehalte der Deutschen 
gehört, wäre es sehr merkwürdig, wenn Einflüsse von dort her nicht 
ebenfalls in den christlichen Gebrauch des Kelchs geflossen wären. 
Noch im Jahre 1007 erschien, wie schon erwähnt, Heinrich dem 
Zweiten die Aufgabe, das noch immer vorhandene Heidentum unter 
den Slawen am Main auszurotten, als ein Hauptzweck seines neu— 
gegründeten Bistums Bamberg. In der vorgeschichtlichen Samm— 
lung des Münchener Akademiegebäudes sind die merkwürdigen Stein— 
bilder noch zu sehen, die bei Bamberg gefunden wurden und wahr— 
scheinlich ssawische Götter darstellen. Das vom Frankenapostel Kilian 
bei Würzburg in den Main gestürzte, in späten Jahrhunderten wieder 
aufgefundene und an den Stufen des Doms aufgestellte Götterbild 
ist leider spurlos verschwunden. 
Die Bayern waren also am nördlichen Rande ihrer Stammsitze, 
über Regensburg hinaus und gegen Bamberg zu, noch vielfach in 
Berührung mit nichtchristlichem Volke. 
Im Leben des heiligen Emmeran wird ausdrücklich erzählt, daß 
der christliche Glaube bei den Bayern sehr lose sitze und daß noch viel 
heidentum dort stecke; ein römisches Kapitular von 716 macht der 
ganzen damaligen bayerischen Kirche den Vorwurf der Ketzerei. Der 
Freisinger Steinmetz Liutprecht, der die Säulen in Freising meißelte, 
der Regensburger Steinmetz, vielleicht von einer lampartischen Hütte, 
der die Nordseite der Jakobskirche in Regensburg schmückte, lebten 
iur wenige Jahrhunderte später als Heinrich II. und seine Heiden— 
nission. Es ist also einfach nicht richtig — wie schon erwähnt —, 
daß die vorchristliche Überlieferung zu ihrer Zeit nicht mehr so 
—— 
Diese Überlieferung ist, wie früher schon zu betonen war, sogar 
heute noch lebendiger als man gemeinhin annimmt. Die altsprach⸗ 
liche Wissenschaft, besonders die Religionsgeschichte, hat aus den 
Mittelmeerländern neuerdings eine Menge Stoff zusammengetragen, 
aus dem hervorgeht, wie lebendig dort noch vorchristliche,“?) antike 
Uberlieferungen sind. Gerade das kirchliche und religiöse Leben zeigt 
das Weiterbestehen uralten Kulturgutes in bloß äußerlich ver— 
änderter Form besonders deutlich; daß unter bloßem Wechsel des 
Namens an Stelle einer antiken Göttin der Pferde nun eine Heilige 
mit der ganz entsprechenden Aufgabe verehrt wird; daß an die Stelle 
eines antiken Heilgottes nach der Einführung des Christentums 
einfach die Verehrung der Heiligen Kosmas und Damianus und 
4 Pal. Trade, Das Beidentum in der römischen Kirche.
	        
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