Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Der Schwertgott und der Fenriswolf 63 
ihrer ärztlichen Kunst tritt. Das Volkstum und sein Leben wird aber 
im Norden nicht so grundsätzlich verschieden sein von dem im Süden 
und wird ebenfalls das Bestreben gehabt haben, sich seine alten 
Götter und Glaubenströstungen nicht so ohne weiteres von dem 
neuen Kirchenwesen rauben und entweihen zu lassen. Nur hat die 
deutsche Geistesgeschichte diesen Stoff längst noch nicht in dem Maße 
zusammengetragen und verarbeitet, wie die Wissenschaft vom grie— 
chisch⸗römischen Altertum. Gobineau führt an einer Stelle aus, daß 
die überlieferten Glaubenshoffnungen und Gewissenströstungen im 
Volk viel zu fest verwurzelt sind, als daß es sie hergäbe, ehe es einen 
neuen Glauben besitzt. Wird ein Volk zu einer Änderung seiner 
Glaubensform gezwungen, so kann sich dieser Vorgang der allmäh— 
lichen Auswechssung und Umbenennung alter Glaubenströstungen 
und Beistandshoffnungen durch viele Jahrhunderte erstrecken. 
M. Höfler, Über Votivgaben, in Beiträge zur Anthropologie und 
Urgeschichte Bayerns, Bd. 8 1889, berichtet von einem in einem 
römischen Grab der Oberpfalz gefundenen Krötenamulett aus Ton, 
das vollkommen übereinstimme mit den Kröten, die heute noch in 
Tölz bei Gebärmutterleiden in Wachsnachbildern gelübdegemäß 
geopfert werden. 
5. Der einarmige Schwertgott und der Fenriswolf. 
(Der Kreuzgang in Berchtesgaden.) 
WMW besitzen nun ein Denkmal, das den Freisinger Bildhauereien 
sicher (vgl. u. a. von Hofmann, Historischer Reisebegleiter 
Bd. 4 5. 101) nach Zeit und künstlerischer Art nahesteht. Der Gegen— 
stand dieser Darstellung ist aus der germanisch-vorchristlichen Über— 
lieferung sehr einfach und einleuchtend zu erklären; er versagt sich 
dagegen völlig einer Deutung aus dem griechisch-römischen und 
aus dem christlich-kirchlichen Stoffkreise. 
Im Kreuzgang der Stiftskirche zu Berchtesgaden finden sich eine 
Reihe von reichgeschmückten Säulenköpfen; teils tragen sie bloß 
pflanzliche und linienhafte Verzierung; andere stellen ein üppiges 
Geschlinge dar von Menschengestalten und Untieren verschiedener 
Art, wie Cindwürmern, Flügeldrachen. Die Menschen stehen im 
Kampfe mit diesen Drachen; einige stecken mit einem Teil ihrer 
Körper schon im Rachen der Untiere; andere bekämpfen die Lind— 
würmer und Schlangen. Die Menschengestalten tragen die Tracht
	        
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