72 Der Schwertgott und der Fenriswolf
Das Grab der thüringischen Fürstin in der städtischen Samm—
lung zu Weimar wird einer sehr frühen Seit zugeschrieben. Das
halsband der Fürstin weist die heilige Axt in künstlerisch sehr
hochstehender Form auf; als silberne Anhänger, die zwischen den
andern Kleinoden des Halsbandes verteilt sind. Es ist keine Doppel—
axt, sondern eine einfache.
Man setzt, wie gesagt, das Grab frühe an, in das vierte Jahrhundert; vielleicht
war die hier begrabene Fürstin, mit sehr reichen Grabbeigaben, eine Ahnfrau jener
beiden thüringischen Küönigstöchter, die so ausgesprochen gegensätzlich unter einander
doch zusammen noch der lebendigste Überrest des alten Thüringerreiches in der deutschen
Geschichte geblieben sind; der gewaltigen Basena und der sanften hl. Radegunde,
die von Venantius Fortunatus verehrt und besungen wurde. Die irdischen Reste der
Basena sind ebenfalls zutage gekommen; die Reste eines zweiten menschlichen Gerippes,
die man 1683 zu Doornik im Grabe ihres 481 bestatteten Gemahls Childerich des
Ersten fand, sind wahrscheinlich die ihren. Jene übermenschenhafte Thüringerkönigin,
die wie Brünhild, nur des stärksten Helden Gattin sein wollte; die, wie Brünhild
ihren Walküreneid, ihre geschworenen Bande dem Vaterlande und dem Gatten brach,
um dem Besieger ihrer Heimat zu folgen; die dann aber auch den Löwen gebar,
Chlodwig, der das gesamtfränkische Reich und damit mittelbar auch den späteren
deutschen Gesamtstaat geschaffen hat. Man hat freilich bezweifelt, ob diese gewaltige
Gestalt geschichtlich ist; man hat sie auch dem angeblichen linksrheinischen Thüringer⸗
stamm zuweisen wollen (vgl. Oskar Gutsche und W. Walter, Deutsche Geschichte
von der Urzeit bis zu den Karolingern, S. 52), der wohl nie bestanden hat (vgl.
Konrad Plath, Dispargun in den Bonner Jahrbüchern, 1894). In dem eben—
erwähnten Grabe, das in der Weimarer städtischen Sammlung als ein kostbarer
Schatz aufbewahrt wird, fand sich aber ein silberner Löffel mit der Aufschrift Basenge.
Wir wollen selbstverständlich daraus nicht allzuviel folgern. Aber bemerkenswert ist die
Tatsache immerhin. Was hat es schließlich den wissenschaftlichen Wert Schliemannscher
Entdeckungen beeinträchtigt, daß er sie die Burg des Priamus und das Grab des
Atreus nannte; es war in einem tieferen Sinne ja sogar zutreffend. — Im Jahre 1847
hat man in Köln beim städtischen Waisenhause Schädel gefunden mit einem Nagel
in der Stirn, die man weiblichen Personen im Alter von 24 bis 26 Jahren zuschreibt
und als aus Oberägypten stammend bestimmen zu können glaubt. 1863 machte man
auf der Severinsstraße ähnliche FfFunde. Man hat sie mit dem Martyrertum der sog.
zehntausend Jungfrauen in Verbindung gebracht. Auch die „Heldendichtung des
Mittelalters“, die Heiligenlegende, hat vielfach einen geschichtlichen Kern, wie die
große Heldendichtung der Wanderungszeit ihn immer hat.“*)
a8) In dem Grabe jener Thüringerfürstin, das in Weimar aufbewahrt wird,
lag um den Hals ein Geschmeide, in dem, wie schon erwähnt, zwischen Bernstein—
perlen und sonstigem Schmuckwerk zierliche silberne Arxte von feinster Arbeit hängen;
ein altheiliges Sinnbild. Dieses Zeichen gäbe ein treffliches, übrigens auch künstlerisch
hochstehendes Abzeichen für den alten Thüringerstamm, der sich ja jetzt grade in dem
geplanten Verwaltungsbezirk Großthüringen wieder etwas zusammenzuschließen
scheint. Der Sondertrieb der deutschen Stämme muß und wird in der furchtbaren
Not unserer Zeit für die staatliche Gestaltung Deutschlands nach Außen völlig
und auf immer verschwinden; um so lebendiger soll die Sonderart der Stämme geistig
und kulturell sich betätigen. Die germanische Münze, gefunden auf dem Kästrich in