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Ueberblickt man das Gesamtschaffen Dinglingers, so
kann man nicht zweifeln, daß er einen beachtenswerten Platz
unter den stadthannoverschen Architekten einnimmt, zumal
wenn man berücksichtigt, daß er von Hause aus Festungs—
baumeister gewesen ist, daß also die architectura militaris
sein eigentliches Feld, die architectura civilis dagegen nur
eine Nebenbeschäftigung bedeutet. Die Verbindung der
beiden Tätigkeiten, die in den theoretischen Schriften und auf
den Akademien auch zugleich gelehrt wurden, ist ja an sich
im 17. und 18. Jahrhundert gang und gäbe (vgl. Furttenbach,
Neumann usw.). Es ist aber wichtig, festzustellen, daß sie
auch hier und noch in so später Zeit stattgehabt hat. Größere
Aufgaben scheinen Dinglinger allerdings nur in den Anlagen
des Rathauses der Neustadt und des jetzigen Palais an der
Leinstraße gestellt worden zu sein. Mit welchem Geschick
und Geschmack er sich derselben entledigt hat, wurde bereits
auseinandergesetzt. Es gilt lediglich, noch einmal hervor—
zuheben, daß er sich dabei des in seiner sächsischen Heimat
Gelernten und Geschauten stark bedient hat, ohne dabei
in Kopistentätigkeit zu verfallen und seine Eigenart zu ver—
leugnen. Diesen persönlichen Anteil dürfen wir vor allem
in dem maßvollen Schalten mit den in der Zeit gebräuchlichen
Mitteln und der wohlüberlegten und geschmackvollen Ver—
wendung derselben erkennen. Wir müssen bedenken, daß
seine Werke in der Zeit des übersprudelnden, oft überladenen
Rokoko entstanden sind, um der ruhigen, oft beinahe an
Klassizismus, die stets vorhandene Unterbewegung des Barock,
gemahnenden Sprache seiner Werke gerecht zu werden.
Gerade dieser Eigenarten wegen fügen sich die Arbeiten
Dinglingers aber gut in den norddeutschen Barock ein,
dessen Wesen ja überhaupt eine größere Ruhe und Spar—
samkeit der aufgewandten Mittel im Gegensatze zu dem
süddeutschen Barock ausmachen. Nicht zum wenigsten auch
aus diesem, vermutlich doch durch den Aufenthalt Dinglingers
in Hannover!) bedingten Grunde, wird man bei einer späteren
zusammenfassenden Darstellung des norddeutschen Barocks
an den Werken des stadthannoverschen Festungsbaumeisters
nicht achtlos vorübergehen können.
JVon Einfluß scheint besonders das Gräfl. v. Alten-Linsingensche Palais
gewesen zu sein. Ich habe feststellen können, daß das Haus 1701 nach
Plänen des Ing.-Lieutnant C. Wilckens, die ich demnächst zu verösfent—
lichen beabsichtige, errichtet worden ist.