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Die Grundlehren der Kinctik materieller Systeme.
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Das sogenannte d’Alembert’sche Princip!) und seine
Anwendungen.
268. Entwickelung des Princips. Wir nehmen ein materielles
System an, dessen einzelne mit einander in irgend welcher Ein-
wirkung stehende materielle Punkte mit m,, m, M, ... bezeichnet
werden. Für diese materiellen Punkte seien die Beschleu-
nigungskräfte Rı, Ro, R,... Eine Kraft R' gleich und direkt
entgegengesetzt der Beschleunigungskraft E eines materiellen
Punktes m nannten wir früher die Trägheitskraft des mate-
riellen Punktes. Fügt man nun bei einem materiellen Punkt zu
den thatsächlich an ihm wirkenden Kräften (äusseren und inneren)
noch die Trägheitskraft des materiellen Punktes hinzu, so versetzt
man damit den letzteren ins Gleichgewicht. Bringt man daher
an sämmtlichen materiellen Punkten m,, m... des bewegten
Systems die betreffenden Trägheitskräfte an, so kommt dadurch
das ganze System ins Gleichgewicht. Aber die paarweise im
System auftretenden inneren Kräfte sind für sich im Gleichgewicht
und heben sich auf, es halten somit die äusseren Kräfte
und die Trägheitskräfte sich im Gleichgewicht.
Damit ist das sogenannte d’Alembert’sche Prineip aus-
yesprochen, welches für die Mechanik von der grössten Bedeu-
vung ist. Dasselbe ermöglicht, Aufgaben der Kinetik auf solche
ler Statik zurückzuführen.
Zur weiteren Klarstellung des d’Alembert’schen Prineips
sollen die folgenden Anwendungen dienen.
269. Bewegung einer Reihe mit einander verbundener
Massen. Es soll unter Berücksichtigung der Reibung an der
norizontalen Auflageebene und Vernachlässigung der Zapfen-
eeibung bei der Rolle C die Bewegung des in Fig, 251 angedeu-
;eten Massensystems bestimmt werden.
Entsprechend dem in No. 268 Bemerkten hat man, um das
GHeichgewicht des materiellen Systems herbeizuführen, an den
sämmtlichen materiellen Punkten des bewegten Systems noch die
betreffenden Trägheitskräfte anzubringen. Zum bewegten System
vehört aber alles, was sich zusammen hewegt, also die Massen
1) Das d’Alembhert’sche Princip ist kein Grundprincip der Mechanik;
‚Princip“ ist hier, wie auch in den $$ 50 und 51 lediglich in der Bedeutung
ron „Satz“ aufzufassen.