Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

330 XI. Die chemische Verwandtschaft. 
Die Änderungen des Molekularvolums durch den Neutralisations- 
vorgang sind ziemlich beträchtlich und viel mannigfaltiger, als die 
entsprechenden Neutralisationswärmen, so dass der Kritische Fall, in 
welchem die Methode keine Resultate giebt, viel seltener als bei der 
thermochemischen Methode eintrifft. 
Das Prinzip der Methode ist von dem der thermoechemischen nicht 
verschieden und es gilt dieselbe Formel 
= A-— As 
Sn — ————>zxs 
a8 FB 
wo nur die Grössen eine entsprechend geänderte Bedeutung gewinnen. 
«+8 und «+ ß’ sind nicht mehr die Neutralisationswärmen, sondern 
die Volumänderungen bei der Neutralisation, und A-— As ist die Vo- 
lumänderung, welche bei der Einwirkung der einen Säure auf das 
Neutralsalz der anderen stattfindet. Sind Nebenreaktionen vorhanden, 
so gilt die korrigierte Formel 
-„Abr— q . 
(+8) 
wo q die Volumänderung der Nebenreaktionen bedeutet. 
Die technische Ausführung der Versuche ist unter Anwendung 
des Sprengelschen Pyknometers leicht bis zu einem hohen Grade der 
Genauigkeit zu bringen. Das Verfahren ist das der gewöhnlichen 
Dichtebestimmungen; man hat sorgfältig die Temperatur konstant zu 
halten und erreicht dann leicht eine Genauigkeit von einigen KEin- 
heiten der fünften Dezimale, wenn man Pyknometer von 20: bis 30 g 
Inhalt verwendet. Die Lösungen benutzt man von genau bekanntem 
Gehalt. In den Versuchen von W. Ostwald waren sie so hergestellt, 
dass ein Gramm - Äquivalent jeder Säure oder Basis in einem Kilo- 
gramm der Lösung enthalten war, wodurch die Umrechnung der spe- 
zifischen Volume auf Molekularvolume besonders einfach wird. Doch 
kann man auch die Lösungen einer bestimmten Formel entsprechend 
herstellen, wie das Thomsen bei seinen thermochemischen Versuchen 
zu thun pflegt. 
So wurde z. B. das spezifische Volum einer Kalilösung, welche KOH 
—56-1 g in einem Kilogramm enthielt, gleich 0-950668 gefunden, das 
einer entsprechenden Salpetersäurelösung gleich 0.966623; die Molekular- 
volume sind 950-668 und 966.623 ccm. Als gleiche Gewichte beider Lö- 
sungen gemischt wurden, ergab sich das spezifische Volum der erhaltenen 
Salpeterlösung zu 0-968669; das Molekularvolum (dem ein Gewicht von 
2000 g entspricht) beträgt daher 1937-338 ccm, während die Summe der 
Molekularvolume von Säure und Basis nur 1917-291 ccm ausmacht. Somit 
ist bei der Neutralisation eine Ausdehnung um 20-047 ccm eingetreten. 
Für den Fall unlöslicher Basen gilt ein Theorem, welches mif 
dem entsprechenden thermochemischen Satz völlig gleichlautet, wenn
	        
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