Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

350 XI. Die chemische Verwandtschaft. 
Bemerkenswert ist der sehr bedeutende Einfluss, den die Ver- 
dünnung auf die relative Affinität der schwachen Säuren hat; die rela- 
tiven Affinitäten wachsen um das vier- ja fünffache beim Übergang 
von normalen zu zehnfach verdünnten Lösungen. An späterer Stelle 
werden die hier obwaltenden Gesetzmässigkeiten näher besprochen 
werden. 
Ebenso wie Calciumoxalat verhalten sich andere unlösliche Salze. 
Zinkoxalat und Baryumchromat sind untersucht worden und haben diesel- 
ben Ergebnisse für die relativen Affinitäten der untersuchten Säuren ge- 
liefert. Ferner sind in neuerer Zeit Versuche mit Weinstein und mit den 
Sulfaten von Calcium, Strontium und Baryum angestellt worden, welche im 
wesentlichen die früheren Werte ergaben. Im einzelnen bleiben vorhandene 
Abweichungen von geringerem Belang aufzuklären. Dieselben sind nicht 
so bedeutend, dass sie die Ergebnisse zweifelhaft machen, sie sind aber 
andererseits insofern von Belang, als sie auf die Erkenntnis von Neben- 
wirkungen führen, die unter allen Umständen vorhanden sind, aber in dem 
allgemeinen Ansatz nicht Berücksichtigung gefunden haben. 
Drittes Kapitel. 
Spezifische Affinitätskoeffizienten. 
Die Eigenschaft der Säuren, ihre Wirkung nach Massgabe eines 
bestimmten Koeffizienten auszuüben, ist nicht auf die Salzbildung be- 
schränkt. Es giebt noch zahlreiche weitere Reaktionen, welche durch 
die Wirkung der Säuren als solche bedingt sind, und bei allen machen 
sich dieselben Wirkungskoeffizienten der Säuren mit demselben nume- 
rischen Wert geltend. 
Der erste Fall, welcher in dieser Beziehung untersucht wurde, 
hat noch einigermassen mit den salzbildenden Affinitäten Zusammen- 
hang. Eine wässerige Lösung von Acetamid verwandelt sich unter dem 
Einfluss der Säuren unter Wasseraufnahme in essigsaures Ammoniak, 
welches durch die vorhandene Säure, wenn diese stark ist, in das ent- 
sprechende Ammoniaksalz und freie Essigsäure umgesetzt wird. 
Der primäre Vorgang erfolgt also zwischen Acetamid und Wasser: 
CH°’CONH? + H’0=CH*’COONH*!* 
und die Säure wirkt „prädisponierend‘“, da durch Wasser allein die 
Umsetzung ausserordentlich langsam erfolgt. Die Erklärung solcher 
„prädisponierender“ Affinitäten bietet vom Standpunkt der Molekular- 
theorie aus keine Schwierigkeit. In dem vorliegenden Falle haben 
wir uns zu denken, dass die Molekeln des Acetamids innerhalb der 
wässerigen Lösung bei ihren mannigfaltigen Bewegungen häufig mehr 
oder weniger gelockert werden. Bei einem bestimmten Grade der 
Lockerung ist die chemische Affinität der Bestandteile CH3CO und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.