364 XI. Die chemische Verwandtschaft.
Verwandtschaft auf gleichem Wege; man braucht nur die Annahme
hinzuzufügen, dass die Möglichkeit, an chemischen Reaktionen sich zu
beteiligen, den freien Ionen zukomme, und dass somit die Fähigkeit,
solche auszuüben, der Anzahl der freien Ionen in einer gegebenen
Lösung proportional sei.
Für diese Annahme spricht zunächst schon die von Hittorf be-
tonte Thatsache, dass die Reaktionsfähigkeit und die elektrolytische
Leitfähigkeit den Stoffen immer gleichzeitig eigen ist. Es spricht
ferner dafür, dass der Vorgang der elektrolytischen Leitung ebenso
wie der des chemischen Umsatzes daran gebunden ist, dass die Mo-
lekeln, welche hierbei in Betracht kommen, in Teilmolekeln zerfallen;
ohne solchen Zerfall kann weder eine neue Anordnung der Teile, wie
bei der chemischen Reaktion, noch ein Transport der an die Ionen
gebundenen Elektrizität, wie bei der Leitung, stattfinden.
Was aber am allereindringlichsten und überzeugendsten für die
Richtigkeit der Annahme spricht, ist die numerische Übereinstimmung
der Zahlenwerte für die Reaktionsfähigkeit einerseits, die elektrische
Leitfähigkeit andererseits. Die auf den Seiten 357 und 359 mitge-
teilten Zahlen für die Geschwindigkeit der Katalyse des Methylacetats
und der Inversion des Rohrzuckers stimmen so vollständig mit denen
der relativen elektrischen Leitfähigkeit überein, dass an einem engsten
Zusammenhang beider Zahlenreihen nicht gezweifelt werden kann.
In der nachstehenden Tabelle sind unter I die elektrischen Leit-
fähigkeiten normaler Lösungen der Säuren, unter II die Geschwindig-
keitskoeffizienten der Katalyse des Methylacetats, unter III die der
[nversion des Rohrzuckers verzeichnet.
ı {HI
i. Salzsäure, HCI 100 DO 100
2. Bromwasserstoff, HBr 100-1 98 111
3. Salpetersäure, HN O, 99-6 12 100
4. Äthylsulfonsäure, C,H;.S0O,0OH 79-9 98 91
5. Isäthionsäure, C,H,OH.SO,OH 77:8 92 92
6. Benzolsulfonsäure, C;H,.SO,OH 74-8 99 104
7. Schwefelsäure, H,SO, 65-1 73:9 73:2
8. Ameisensäure, HCOOH 1-68 1.31 1:53
9. Essigsäure, CH. COOH 1.424 0:345 00-400
10. Monochloressigsäure, CH, C1.COOH 14-90 4-30 4-84
11. Dichloressigsäure, CHClL.COOH 25-3 23-0 27-1
12. Trichloressigsäure, CCl,.COOH 62-3 65.2 75:4
13. Glykolsäure, CH,OH.COOH 1-34 1:31
14. Methylglykolsäure, CH,. OCH;.COOH 1-76 1:82
15. Äthylglykolsäure, CH,. 0C,H,.COOH 1-30 1:37
16. Diglykolsäure, O(CH,. COOH), 2.58 ; 2.67
17. Propionsäure, C,H,. COOH 0:325 0:304 —
18. Milchsäure, C,H,OH.COOH 1-04 0-90 1-07
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