Äquivalente und Verbindungsgewichte 137
Inzwischen waren bei Analysen organischer Verbindungen, welche
nur Wasserstoff und Kohlenstoff enthielten, von den sorgfältigsten Be-
obachtern Zahlen gefunden worden, welche als Summe der Bestand-
teile ein größeres Gewicht ergaben, als zur Analyse genommen war.
Da bei der Analyse Kohlenstoff als Kohlensäure, Wasserstoff als Wasser
gewogen wird, so blieb nur der Schluß übrig, daß der Gehalt des
einen oder anderen an dem fraglichen Elemente falsch in Rechnung
gebracht war. Untersuchungen von Liebig und Redtenbacher,
Dumas und Stas, Erdmann und Marchand, welche in diesem
Sinne vorgenommen wurden, ergaben, daß Berzelius bei der Bestim-
mung des Atomgewichtes des Kohlenstoffs allerdings einen ziemlich
groben Fehler, von zwei Prozent etwa, begangen hatte.
Diese gänzlich unerwartete Entdeckung (1841) brachte eine förm-
liche Panik unter den Chemikern hervor. Je höher man die Zahlen
von Berzelius gestellt hatte, um so tiefer wurde das Mißtrauen gegen
sie. Es begann eine rührige Revision der von Berzelius gegebenen
Zahlen. Als Resultat ergab sich, daß jener Fehler von Berzelius bei
weitem der größte, ja fast der einzige war; die zahlreichen Neubestim-
mungen erwiesen fast nur die Richtigkeit der übrigen Werte dieses ge-
wissenhaften Experimentators.
In der Folge sind die Revisionen und Neubestimmungen der Ver-
bindungsgewichte stetig fortgeführt worden. Dreimal haben sie. indessen
noch besondere Impulse empfangen. Zuerst war es eine von Prout
und Meinecke aufgestellte Hypothese, nach welcher alle Verbindungs-
gewichte Multipla von dem des Wasserstoffs sein sollten, die eine An-
zahl äußerst genauer Arbeiten, insbesondere die von Stas, anregte.
Zweitens aber veranlaßte eine von Mendelejew und L. Meyer ent-
deckte Beziehung zwischen den Verbindungsgewichten und den anderen
Eigenschaften der Elemente viele Arbeiten, weil in einzelnen Fällen
Widersprüche gegen die allgemeinen Beziehungen vorhanden waren,
deren mögliche Veranlassung durch ungenaue Bestimmungen der Atom-
gewichte eine erneute Prüfung solcher Werte notwendig machte. End-
lich hat der Umstand, daß vor etwa 25 Jahren von verschiedenen
Seiten die vorhandenen Bestimmungen der Verbindungsgewichte in
systematischer Weise neu berechnet worden sind, auf die Unvollkommen-
heit vieler dieser Bestimmungen aufmerksam gemacht, und erneute
Untersuchungen angeregt. In diesen Arbeiten hat sich insbesondere
Th. W. Richards große Verdienste erworben.
Einheit der Verbindungsgewichte. Da die Werte der Verbindungs-
gewichte ihrer Natur nach relative Zahlen sind, so ist zunächst die
Einheit festzustellen, welche ihnen zugrunde gelegt werden soll, d. h.
das Verbindungsgewicht eines der Elemente ist willkürlich gleich einem
bestimmten Zahlenwert zu setzen. Dalton hatte. als Ausgangspunkt
den Wasserstoff gewählt, dessen Wert von allen der kleinste ist. Ber-
zelius verließ in der Folge diese Einheit aus praktischen Gründen.