Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

Äquivalente und Verbindungsgewichte I 69 
Beziehungen zwischen den Zahlenwerten der Verbindungsge- 
wichte. Nach zwei Richtungen hat man aus dem‘ Zahlenmaterial, 
welches durch die Bestimmungen der Verbindungsgewichte der Elemente 
dargeboten war, allgemeine Schlüsse zu ziehen sich bemüht. Eine durch 
Prout (13815) und bald darauf durch Meinecke (1817) angeregte 
Gedankenreihe geht von der hypothetischen Annahme eines allgemeinen 
Grundstoffes oder einer Urmaterie aus. In dem Wasserstoff glaubte 
man diese gefunden zu haben, und mußte nun den Schluß ziehen, 
daß, wenn alle anderen Elemente aus Wasserstoff bestehen, ihre Ver- 
bindungsgewichte auch Multipla von dem des Wasserstoffs sein müssen. 
Diese Hypothese wurde in England namentlich durch Th. Thomson, 
den Verfasser eines vielbenutzten Lehrbuches, verbreitet und mit Hilfe 
allerdings recht ungenügender Versuche zu stützen gesucht. Auf dem 
Kontinent hatte die Hypothese keinen Erfolg, weil Berzelius auf 
Grund seiner Bestimmungen sie für unrichtig erklärte, und bei der 
schon erwähnten, von der British Association veranlaßten Prüfung der 
Frage durch Turner sich die Richtigkeit von Berzelius’ Zahlen 
herausstellte. 
Als aber 1841 der Fehler im Verbindungsgewicht des Kohlenstoffs 
entdeckt wurde, und letzteres sich nach den Versuchen von Dumas 
und Stas so genau als möglich im Verhältnis 12:1 zu dem des 
Wasserstoffs ergab, als ferner Dumas auch das Verbindungsgewicht 
des Sauerstoffs gleich dem 16-fachen des Wasserstoffs und das des 
Stickstoffs gleich dem 14-fachen des Wasserstoffs fand, da sprach er 
alsbald die Überzeugung aus, daß es sich hier doch um ein allge- 
meines Gesetz handeln müsse. Er gab sich in der F olge der Prüfung 
desselben hin und kam zu dem Ergebnis, daß zwar nicht alle Ver- 
bindungsgewichte Multiple von dem ganzen Verbindungsgewicht des 
Wasserstoffs seien, daß aber doch die Hälfte dieses Wertes allen anderen 
zugrunde liege. Auch diese Einheit mußte er indessen in der Folge 
auf ihren halben Wert verkleinern, so daß nach seiner schließlichen 
Ansicht alle Verbindungsgewichte sich durch ein Viertel von dem des 
Wasserstoffs darstellen lassen. 
Durch diese Einschränkung hatte die ganze Angelegenheit den größ- 
ten Teil ihres Interesses verloren, weil bei vielen Elementen die Ge- 
nauigkeit der Bestimmung die von Dumas angegebene Einheit nicht 
erreicht, und somit eine Prüfung der Hypothese ausgeschlossen wird. 
Dieselbe Frage wurde gleichzeitig durch J. S. Stas aufgenommen. 
Dieser Forscher beschränkte sich im Vergleich zu Dumas, was die 
Zahl der zu untersuchenden Elemente anlangt, übertraf aber seinen 
Lehrer und früheren Arbeitsgenossen bei weitem in der Genauigkeit 
seiner Bestimmungen. Als Ergebnis seiner auf diesen Punkt gerichteten 
Untersuchungen erklärt Stas die Proutsche Hypothese für vollkommen 
unzulässig; sie stellt nichts als eine ungefähre Annäherung an die 
Wahrheit dar, tatsächlich aber weichen fast alle von ihm bestimmten
	        
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