Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

227 
ist, die Wirkungen dieser Ursache, eben die Valenz selbst. von Fall 
zu Fall verschieden erscheint. 
Eine Hypothese der erwähnten Art ist in der Tat von van’t Hoff 
(1878) aufgestellt worden. Indem er annahm, dass die chemische An- 
ziehung zwischen den Atomen eine Folge der Gravitation sei, zeigte 
er, daß, wenn ein Atom eine von der Kugelgestalt abweichende Form 
besitzt, die Intensität der Anziehung auf seiner Oberfläche eine be- 
stimmte Anzahl Maxima besitzen müsse, welche von der Form abhängt. 
Die Maxima können von verschiedenem Werte sein. Ist die Wärme- 
bewegung des Atoms eine lebhafte, so werden nur die größten Maxima 
ihre Atome festhalten können, und die Valenz zeigt sich entsprechend 
der Erfahrung bei höherer Temperatur kleiner, als bei niederer. 
Molekularverbindungen. Das Bedürfnis, für eine große Anzahl 
meist nur in fester, selten in flüssiger Form bekannter Verbindungen, deren 
Konstitution aus den gewöhnlichen Annahmen über die Valenz der 
Elementaratome nicht zu erklären ist, eine Erklärung zu finden, hat 
die Vertreter der Lehre von der konstanten Valenz auf den Ausweg 
geführt, solche Verbindungen als verschieden von denen anzusehen, 
welche der erwähnten Form der Valenzlehre entsprechen. Man unter- 
schied solche Verbindungen als Molekularverbindungen von den 
anderen, als Atomverbindungen. Erstere, zu denen Salze mit Kristall- 
wasser, Doppelsalze, von einigen aber auch Chlorammonium und alle 
anderen Ammoniaksalze gerechnet werden, sollen den Zusammenhang 
ihrer Atome nicht den zwischen Atom und Atom wirkenden Kräften, 
welche die Valenz bedingen, verdanken, sondern die Molekeln, aus 
welchen diese Verbindungen entstehen, sollen als Ganzes wechselseitige 
Kräfte aufeinander ausüben, durch welche der fragliche Zusammenhang 
bewirkt wird. 
Man hat die Molekularverbindungen erst der Lehre von der kon- 
stanten Valenz zuliebe von den Atomverbindungen unterschieden. 
Schon dies kann gegen sie mißtrauisch machen. Dazu kommt aber, 
daß trotz aller Mühe ein anderer Unterschied zwischen beiden Klassen 
nicht hat gefunden werden können, als daß die eine bestimmten An- 
nahmen über konstante Valenz entspricht, die andere dagegen nicht. 
Im übrigen gehen die Eigenschaften der einen vollkommen stetig in 
die der anderen über, indem man überall einen stufenweisen Abstieg 
geringster Zersetzlichkeit zu größter an entsprechenden Verbindungen 
nachweisen kann. Gegenwärtig deutet man sie meist mit Hilfe der 
5. 226 erwähnten „Nebenvalenzen“,. 
Das Gebiet der Molekularverbindungen ist in neuerer Zeit insbe- 
sondere von A. Werner mittels des Begriffes der „Koordinations- 
zahl“, eines dem Valenzbegriff gegenüber verallgemeinerten Schemas 
der Verbindungstypen, bearbeitet worden. Hierauf kann an dieser 
Stelle nur verwiesen werden. 
Die Stereochemie. Die in der vorbeschriebenen Weise entwickelten 
Die chemische Konstitution
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.