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ist, die Wirkungen dieser Ursache, eben die Valenz selbst. von Fall
zu Fall verschieden erscheint.
Eine Hypothese der erwähnten Art ist in der Tat von van’t Hoff
(1878) aufgestellt worden. Indem er annahm, dass die chemische An-
ziehung zwischen den Atomen eine Folge der Gravitation sei, zeigte
er, daß, wenn ein Atom eine von der Kugelgestalt abweichende Form
besitzt, die Intensität der Anziehung auf seiner Oberfläche eine be-
stimmte Anzahl Maxima besitzen müsse, welche von der Form abhängt.
Die Maxima können von verschiedenem Werte sein. Ist die Wärme-
bewegung des Atoms eine lebhafte, so werden nur die größten Maxima
ihre Atome festhalten können, und die Valenz zeigt sich entsprechend
der Erfahrung bei höherer Temperatur kleiner, als bei niederer.
Molekularverbindungen. Das Bedürfnis, für eine große Anzahl
meist nur in fester, selten in flüssiger Form bekannter Verbindungen, deren
Konstitution aus den gewöhnlichen Annahmen über die Valenz der
Elementaratome nicht zu erklären ist, eine Erklärung zu finden, hat
die Vertreter der Lehre von der konstanten Valenz auf den Ausweg
geführt, solche Verbindungen als verschieden von denen anzusehen,
welche der erwähnten Form der Valenzlehre entsprechen. Man unter-
schied solche Verbindungen als Molekularverbindungen von den
anderen, als Atomverbindungen. Erstere, zu denen Salze mit Kristall-
wasser, Doppelsalze, von einigen aber auch Chlorammonium und alle
anderen Ammoniaksalze gerechnet werden, sollen den Zusammenhang
ihrer Atome nicht den zwischen Atom und Atom wirkenden Kräften,
welche die Valenz bedingen, verdanken, sondern die Molekeln, aus
welchen diese Verbindungen entstehen, sollen als Ganzes wechselseitige
Kräfte aufeinander ausüben, durch welche der fragliche Zusammenhang
bewirkt wird.
Man hat die Molekularverbindungen erst der Lehre von der kon-
stanten Valenz zuliebe von den Atomverbindungen unterschieden.
Schon dies kann gegen sie mißtrauisch machen. Dazu kommt aber,
daß trotz aller Mühe ein anderer Unterschied zwischen beiden Klassen
nicht hat gefunden werden können, als daß die eine bestimmten An-
nahmen über konstante Valenz entspricht, die andere dagegen nicht.
Im übrigen gehen die Eigenschaften der einen vollkommen stetig in
die der anderen über, indem man überall einen stufenweisen Abstieg
geringster Zersetzlichkeit zu größter an entsprechenden Verbindungen
nachweisen kann. Gegenwärtig deutet man sie meist mit Hilfe der
5. 226 erwähnten „Nebenvalenzen“,.
Das Gebiet der Molekularverbindungen ist in neuerer Zeit insbe-
sondere von A. Werner mittels des Begriffes der „Koordinations-
zahl“, eines dem Valenzbegriff gegenüber verallgemeinerten Schemas
der Verbindungstypen, bearbeitet worden. Hierauf kann an dieser
Stelle nur verwiesen werden.
Die Stereochemie. Die in der vorbeschriebenen Weise entwickelten
Die chemische Konstitution