Die chemische Konstitution
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Die Molarvolume fester Stoffe. Nachdem durch Gay-Lussac
bei den Gasen die bekannten durchgreifenden Gesetzmäßigkeiten ge-
funden worden waren, entstand naturgemäß alsbald die Frage, ob sich
solche nicht in den anderen Formarten wiederfinden würden. Die
Antwort, welche das Experiment auf diese Frage gab, ist im allgemeinen
verneinend gewesen; es hat sich im Gegenteil herausgestellt, daß es
sich um eine wesentlich additive Eigenschaft handelt.
Zunächst trat allerdings mehr ihre konstitutive Beschaffenheit zutage,
als sich bei den betreffenden Berechnungen herausstellte, daß das Vo-
lum ‚einer festen oder flüssigen Verbindung im allgemeinen verschie-
den von der Summe der Volume der Bestandteile ist. Um diese
Rechnungen einfach und übersichtlich führen zu können, sind zunächst
die Begriffe Atomvolum und Molarvolum einzuführen und zu defi-
nieren. Unter Atomvolum versteht man das Volum in ccm, welches
ein Verbindungsgewicht des betreffenden Elements in Grammen ein-
nimmt. Es ergibt sich einfach als das Produkt aus der Räumigkeit
in das Verbindungsgewicht. Da in den Lehrbüchern und Abhand-
Jungen sich gewöhnlich die Dichte an Stelle der Räumigkeit angegeben
findet, so hat man deren reziproken Wert zu nehmen, d.h. man divi-
diert die Dichte in das Atomgewicht, um das Atomvolum zu finden.
Die entsprechenden Zahlen sind bereits u. a. in der Darstellung Fig. 32,
5. 245 verwertet worden. ;
In ganz entsprechender Weise erscheint das Molarvolum als das
Produkt der Räumigkeit des betreffenden Stoffes in sein Molargewicht,
bzw. als der Quotient des letzteren durch die Dichte.
Nun hängt allerdings die Dichte und Räumigkeit noch von Tem-
peratur und Druck ab, und da diese abweichend von den Gasen bei
verschiedenen. Stoffen verschieden wirken, so müßte eine Untersuchung
vorausgehen, wie man die daher rührende Unbestimmtheit beseitigen
oder berücksichtigen könnte. Indessen sind bei festen Stoffen diese
Einflüsse noch so gering, daß sie häufig unterhalb der Genauigkeit
liegen, mit welchen die Volume selbst bestimmt sind. Sie können da-
her zunächst unberücksichtigt bleiben, da sie die Hauptzüge des Bildes
jedenfalls nicht wesentlich entstellen können.
Vergleicht man demgemäß einfach die Volume, wie sie bei gleicher
Temperatur und dem Atmosphärendrucke sich ergeben, so findet man,
daß das Volum einer Verbindung in jeder der drei möglichen Be-
ziehungen zur Summe der Volume der Elemente stehen kann. In der
Mehrzahl der Fälle ist das Verbindungsvolum kleiner, zuweilen ganz
erheblich kleiner als jene Summe. Diese Abweichung geht so weit,
daß bei den Verbindungen der Alkalimetalle das Molarvolum sogar
kleiner ausfallen kann, als das Atomvolum des darin enthaltenen
Alkalimetalls. Solche starke Abweichungen treten namentlich dann ein,
wenn die Verbindung unter sehr großer Energieabgabe (Wärmeentwick-
lung) erfolgt, denn im allgemeinen ist die durch den chemischen Vor-