Die chemische Konstitution
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Die Bestimmungen der Molarrefraktionen der hierhergehörigen Stoffe
ist meist an ihren wässerigen Lösungen ausgeführt worden. Besteht
dieselbe aus p Molen Wasser auf ein Mol des Stoffes, so gilt die Be-
ziehung (vgl. S. 256)
(18:01 p + m) r = 18:01 pr) -+mR ,
wo 18.01 das Molargewicht des Wassers, m das des gelösten Stoffes be-
deutet, und r, ro und R die Brechungskonstanten (m — 1)/d oder oh F ES 2)
der Lösung, des Wassers und des Stoffes sind. Daraus folgt die Molar-
refraktion des letzteren
mR == (18:01 p + m) tr — 18:01 p1%.
Durch besondere Versuche glaubte Gladstone sich überzeugt zu haben,
daß man übereinstimmende Werte für die Molarrefraktion erhält, ob
man sie an dem festen Stoff (er benutzte Prismen von Steinsalz) oder
an der Lösung bestimmt, doch haben neuere Untersuchungen erwiesen,
daß auch diese Beziehung nicht genau ist.
Siedepunkte. Die erste Regelmäßigkeit, welche zwischen der Zu-
sammensetzung chemischer Verbindungen und ihren Eigenschaften ent-
deckt wurde, bezog sich auf die Siedepunkte organischer Verbindungen.
Diese wurden beim Aufblühen der organischen Chemie in der ersten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts alsbald als wichtige Kennzeichen
der neuentdeckten Stoffe benutzt und dadurch entstand bald ein ziemlich
ausgiebiges Zahlenmaterial. H. Kopp bemerkte (1842) an diesem, daß
gleichen Unterschieden inder Zusammensetzung organischer
Verbindungen gleiche Unterschiede der Siedetemperaturen
entsprechen. So siedet z. B. jeder Äthylester um 19° höher, als
der Methylester derselben Säure, und die Säure um 45° höher, als der
Äthylester usw.
Diese Verhältnisse deuten auf ein additives Verhalten, denn jedes-
mal, wo eine Eigenschaft additiv ist, müssen die entsprechenden Diffe-
renzen konstant sein. Während aber Kopp gemäß den Regeln der
wissenschaftlichen Vorsicht seine Sätze auf das verhältnismäßig enge
Gebiet des Bekannten beschränkte, wurde von seinen Arbeitsgenossen
das additive Schema in allgemeinster Form anzuwenden versucht. Diese
Versuche sind alle fehlgeschlagen. Der entscheidende Umstand hierfür
ist, daß Temperaturen gar keine addierbaren Größen sind, denn sie
sind Stärken (S. 36) und ihre algebraische Summierung hat über-
haupt keinen angebbaren Sinn.
So ist denn auch die spätere Forschung nicht erheblich über den
von Kopp aufgestellten allgemeinen Satz hinausgekommen; vielmehr
hat seine Geltung erheblich eingeschränkt werden müssen. Nach dem
Satze müßten metamere Stoffe gleichen Siedepunkt haben; dies
trifft nicht genau zu. Insbesondere hat sich ergeben. daß die zur Zeit.