476
Zlektrochemie
Säuren zu erwähnen, deren theoretische Bewältigung früher Schwierig-
keiten machte, Während alle Baryumsalze auch durch freie Schwefel-
säure gefällt werden, ist zwar die Fällung des Calciumacetats durch
freie Oxalsäure praktisch vollständig, nicht aber die des Calcium-
nitrats, und die Gegenwart freier Salpetersäure im letzteren Falle
kann sogar die Fällung völlig verhindern.
Die Ursache ist die, daß die Schwefelsäure eine starke, d. h. weit-
gehend dissoziierte Säure ist, während die Oxalsäure zu den schwä-
cheren gehört. Ist in der Lösung Wasserstoffion neben dem der
Schwefelsäure vorhanden, so verbinden sie sich nur zu einem geringen
Teile miteinander zu nichtdissoziierter Schwefelsäure!). Bei der Oxal-
säure ist dagegen diese Verbindung reichlich, namentlich wenn über-
schüssiges Wasserstoffion zugegen ist; dadurch verschwindet Oxalation
aus der Lösung, und man kommt bald zu einem Punkte, wo das Lös-
ichkeitsprodukt nicht mehr erreicht ist.
Daraus ergibt sich das Gesetz, daß Säuren zwar die Fällung
schwerlöslicher Salze wenig dissoziierter Säuren verhindern
können, nicht aber die von Salzen stark dissoziierter Säuren.
Die Erfahrung bestätigt diesen Schluß allgemein; die Halogenver-
bindungen des Silbers sind in anderen Säuren praktisch unlöslich, weil
die Halogenwasserstoffsäuren zu den stärkst dissoziierten gehören. An-
hererseits sind die Salze der schwachen Phosphorsäure, und die der
doch schwächeren Kohlensäure nicht nur in den starken Mineral-
säuren löslich, sondern erstere zum Teil, letztere alle in Essigsäure.
Ganz dieselben Erwägungen bestimmen also auch die Frage, welche
Niederschläge in Säuren löslich sind, und welche nicht.
Ähnlich liegen die Verhältnisse für die F ällung schwerlöslicher saurer
oder basischer Stoffe. Erstere kommen wenig vor, letztere dagegen
sehr häufig, und sollen daher betrachtet werden.
Wird zu einer Lösung eines Kupfersalzes Kali gesetzt, so wird die
Konzentration des Hydroxylions in der Lösung vermehrt, und bald das
auf Kupferhydroxyd bezügliche Löslichkeitsprodukt Kupferion >x< Hydr-
oxylion überschritten, so daß dieses als Niederschlag ausfällt. Dies ist
die typische Erscheinung. Abweichungen treten z. B. ein, wenn man
Magnesiumsalze mit Ammoniak fällt. Dann ist die Fällung unvollstän-
dig, und ist von vornherein ein Ammoniaksalz zugegen gewesen, so
entsteht überhaupt kein Niederschlag.
Die Ursache ist, daß das Löslichkeitsprodukt des Magnesiumhydr-
oxyds ziemlich groß ist, wie man auch aus seiner deutlich, wenn auch
Schwach alkalischen Reaktion erkennen kann. Ammoniak ist seinerseits
eine schwache Base, die Lösung enthält also nicht viel Hydroxvlion.
’) Von der Betrachtung der durch teilweise Abspaltung des Wasserstoffs
entstehenden einwertigen Ionen der beiden Säuren ist der Einfachheit wegen
abgesehen worden, Die Verhältnisse werden dadurch quantitativ etwas verschn-
ben, bleiben aber im Wesen die gleichen.