Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

Die strahlende Energie 573 
zuteilt, oder noch ein besonderes raumerfüllendes Etwas annımmt. 
Denn man kann letzteres nie nachweisen, sondern nur die im Raume 
vorhandenen Energien; daher kann es auch niemals einen sachlichen 
Unterschied machen, ob man die an diesen räumlich ausgeteilten 
Energien beobachteten Eigenschaften dem Raume selbst zuschreibt 
oder einem an gleicher Stelle vorhandenen „Träger“. Denn selbst, 
wenn man, wie oben geschehen, die Beweise für die räumliche He- 
terogenität der Stoffe oder für deren atomistische Struktur als aus- 
reichend anerkennt, so bedeutet dies nichts mehr oder weniger, als 
daß man für die Energien, durch deren Zusammensein im Raume die 
besonderen Eigenschaften wie Masse, Gewicht, chemische Beschaffen- 
heit usw. hervorgerufen werden, an Stelle der stetigen räumlichen 
Anordnung eine rhythmisch differenzierte annimmt, derart, daß 
die fraglichen Energien in einzelnen Punkten eine sehr viel größere 
Konzentration aufweisen, /als in deren nächster Nachbarschaft. Es 
steht mit anderen Worten die energetische Auffassung nir- 
gend im Widerspruch mit der atomistischen; letztere muß 
vielmehr zunächst alle Forderungen der Energetik erfüllen, 
wenn sie an die Entwicklung ihrer besonderen Vorstellun- 
gen geht. Eine solche körnige oder atomistische Beschaffenheit für 
den Äther, d. h. für den Raum anzunehmen, in welchem sich strah- 
lende Energie betätigt, ist bisher noch durch keinerlei experimentelle 
Tatsache nötig geworden. Dagegen ist für die in der Strahlung betätigte 
Energie in neuester Zeit eine elektromagnetische Beschaffenheit so 
gut wie sicher geworden, und für die elektrische Energie hat sich, ähn- 
lich wie für die mechanische, eine körnige oder räumlich unstetige Be- 
schaffenheit als sehr wahrscheinlich erwiesen. Ein großer Teil der 
elektrischen Erscheinungen hat sich nämlich auf die Betätigung elek- 
trischer Elementarteilchen, der Elektronen, zurückführen lassen. 
Demgemäß handelt es sich bei der strahlenden Energie sehr wahr- 
scheinlich nicht um eine ganz für sich bestehende Energieart, deren 
Zusammenhang mit den anderen Formen nur durch die gegenseitige 
Umwandlung hergestellt wird, sondern vielmehr um eine besondere Be- 
tätigungsweise elektromagnetischer Energie, ähnlich wie der Schall eine 
besondere Betätigungsweise von Bewegungs- und Volum-, bzw. elasti- 
scher Energie ist. Die ganz besonderen Formen dieser Betätigung und 
die außerordentlich große Bedeutung derselben im Haushalt der Erde 
und auch der gesamten uns bekannten Welt rechtfertigen indessen 
vollauf die besondere Behandlung ihrer Probleme, ebenso wie die 
Wärmelehre als selbständiger Anteil der Wissenschaft behandelt wird, 
und nicht als Sonderkapitel der Mechanik, wofür nach dem vorher 
Dargelegten (S. 544) ziemlich ausreichender wissenschaftlicher Anlaß 
vorhanden ist. 
Die Eigenschaften der strahlenden Energie. Da die strahlende 
Energie keine spezifische Energieart darstellt, so hat sie auch nicht die
	        
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