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Photochemie
durch die Lebenstätigkeit der Pflanzen aufgespeichert wird. Alles Brenn-
material der Technik hat diesen Ursprung. Und der menschliche und
tierische Organismus kann seinen Energiebedarf überhaupt nicht anders
decken, als auf Kosten der von den Pflanzen gesammelten Energie,
Da indessen die Vorräte an fossilen Brennstoffen nicht unbegrenzt
3ind und nicht ergänzt werden, so entsteht die wichtige Frage, was
aus unserer Kultur werden soll, nachdem jene verbraucht sind. Hierauf
ist zu antworten, daß schon jetzt die oben erwähnten meteorologischen
Energien in Gestalt von Wasserläufen und Wasserfällen sehr viel voll-
ständiger ausgenutzt zu werden beginnen, seit man sie zweckmäßig in
elektrische Energie zu verwandeln gelernt hat. Und für eine fernere
Zukunft ist die unmittelbare Umwandlung der strahlenden Sonnenenergie
in elektrische das Ziel. Da unter günstigsten Umständen die grünen
Pflanzen nicht mehr als !/,,9 der Sonnenstrahlung aufspeichern, so ist
hier ein weiter Raum für Verbesserungen vorhanden.
Die Bildwirkung der strahlenden Energie. Eine sehr wichtige
Eigentümlichkeit der strahlenden Energie ist die, daß sie sich mit
äußerster Feinheit räumlich verteilen läßt. In auffallendem Gegen-
satze zu der an den Stoffen haftenden Wärme, welche einem beständigen
Vermischungs- oder Diffusionsvorgang unterworfen ist, bleiben die räum-
lichen Verschiedenheiten der strahlenden Energie auf das genaueste
erhalten, auch nachdem sie sich Millionen von Meilen durch den Raum
bewegt hat.
Von dieser Eigenschaft hängt zunächst die Fähigkeit des Sehens
ab, die Fähigkeit, welche uns nach Herschels Ausdruck mehr als
jede andere die Eigenschaft der Allgegenwart verleiht. Die zahllosen
feinen und feinsten Unterschiede, mit welchen die strahlende Energie
die Objekte verläßt, erzeugen auf der Netzhaut des Auges entsprechend
abgestufte chemische Vorgänge, die uns ein treueres und vollständigeres
Bild der Außenwelt vermitteln, als jeder andere Sinn. Auch eine tech-
nische Bedeutung hat diese Eigenschaft der strahlenden Energie ge-
wonnen; in der Photographie werden Vorgänge von ganz vergleich-
barer Beschaffenheit auf der lichtempfindlichen Platte hervorgerufen,
welche eine dauernde Aufbewahrung augenblicklicher Zustände und
Erscheinungen ermöglichen.
Ältere Geschichte. So entwickelt sich denn auch die wissenschaft-
liche Photochemie wie die Thermochemie an den beiden Problemen,
dem physiologischen und dem technischen, und zwar fallen beide An-
länge in nicht sehr weit entlegene Zeiten zurück. Von Priestley ist
1772 die Beobachtung gemacht worden, daß grüne Pflanzen im Sonnen-
licht die durch Atmen verdorbene Luft verbessern: Senebier und
Ingenhouss erkannten darauf, daß der Vorgang in einer Zersetzung
der Kohlensäure und Abscheidung von Sauerstoff besteht. Die wichtige
Rolle, welche dieser Prozeß im Naturhaushalt spielt, wurde indessen
erst von Liebig (1840) und 1. R. Mayer (1842) genügend erkannt.