Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

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DAS GESETZ VON GAY-LUSSAG 
183 
Abnorme Dampfdichten. In den vorstehenden Auseinandersetzungen 
‚st nur von solchen Messungen die Rede gewesen, welche sich dem durch den 
Begriff des Molar- oder Molekulargewichtes gegebenen System einordnen 
lassen. Es ist indessen eine, freilich nicht große Anzahl von Stoffen entdeckt 
worden, welche Ausnahmen zu bilden scheinen. Doch hat sich überall nach- 
weisen lassen, daß diese Ausnahmen nur scheinbar waren, so daß jene 
Fälle, statt der Theorie zu widersprechen, sie schließlich nur unterstützt 
haben. 
Eines der bekanntesten Beispiele liefert das Chlorammonium. Gemäß 
der Formel NH,C1 hat es das Formelgewicht 53:5 und sein Molargewicht 
müßte ebensoviel betragen; dies ist aber nur etwas’ mehr als halb so groß, 
nämlich gleich 29 gefunden worden. Die Erklärung dafür liegt darin, daß 
der Dampf des Salmiaks gar nicht aus dem Stoff NH,C1 besteht, sondern 
zum größten Teil in NH und HCl zerfallen ist. Dadurch ist das Volum 
verdoppelt, die Dichte aber auf die Hälfte herabgesetzt werden, 
Der Nachweis, daß tatsächlich der Salmiakdampf ein Gemenge von Am- 
moniak und Chlorwasserstoff ist, wurde zuerst von Pebal (1862) geführt. 
Dieser zeigte, daß bei der Diffusion dieses Dampfes das leichtere Ammoniak 
viel schneller fortgeht, als der schwerere Chlorwasserstoff, und daß man 
beide durch ihre Wirkung auf Lackmuspapier nachweisen kann. Einzelne 
Einwände, welche gegen die Beweiskraft des Versuches erhoben wurden, 
sind alle in der Folge widerlegt worden. Auf dieselbe Weise, nämlich mittels 
der Trennung durch Diffusion, ist späterhin für sehr viele andere Stoffe, 
welche ‚„abnorme Dampfdichten‘ zeigten, die Anwesenheit der Zerfall- 
produkte nachgewiesen worden, so daß jeder Zweifel gehoben ist, daß der- 
artige Spaltungen, die zu kleinen Dampfdichten überall bedingen, wo sie 
vorkommen. 
In neuerer Zeit hat Baker (1894) auf anderem Wege eine Bestätigung 
dieser Auffassung am Salmiakdampf erbracht, indem es ihm gelang, die 
Dichte des unzersetzten Dampfes zu bestimmen. Beim sorgfältigen 
Ausschluß der Feuchtigkeit wird nämlich die Reaktion zwischen Ammoniak 
und Chlorwasserstoff (und zwar sowohl die Verbindung, wie die Trennung) 
so langsam, daß fester Salmiak vergast werden kann, ohne zu zerfallen. 
Für solchen Dampf aus trockenem Salmiak wurde der normale Wert des 
Molargewichtes, 53°5, in wiederholten Versuchen gefunden. 
In einzelnen Fällen ist der Nachweis noch auf anderem Wege gelungen. 
Phosphorpentachlorid müßte wegen seiner Zusammensetzung das Molar- 
gewicht 208-3 zeigen; es zeigt aber nur kleinere Werte, die stark mit dem 
Druck und der Temperatur wechseln und bis 104 heruntergehen. Daß dieses 
von einer Spaltung in-PCl, und Cl, herrührt, kann an der Farbe, des Dampfes 
erkannt werden. Der unzersetzte Dampf des Pentachlorids ist wenig oder 
gar nicht gefärbt, während Chlorgas grün ist. Es erwies sich, daß der Penta- 
chloriddampf gleichfalls grünlich war, und zwar um SO stärker gefärbt, je 
geringer seine Dichte gefunden wurde, entsprechend einer zunehmenden 
Abspaltung freien Chlors.
	        
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