Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

DIE STOFFE 
Verschiedenheit so gering, daß wir ihrer nicht ganz sicher sind, so wieder- 
holen wir abwechselnd die Hebung von E und K mehrmals und können oft 
auf solche Weise noch vorhandene Unterschiede erkennen, da die Erinnerung 
verbessert wird. Bleibt auch dann das Gefühl der Verschiedenheit aus, so 
erklären wir beide Gewichte für gleich. 
Es ist nun eine allgemeine Erfahrung, daß, wenn ein Mensch beispiels- 
weise E schwerer als K gefunden hat, alle anderen Menschen das gleiche 
{inden. Nur darin kommen Abweichungen vor, daß einige Menschen Ver- 
schiedenheiten erkennen können, wo andere Gleichheit aussagen. Man faßt 
diese Erfahrungen dahin zusammen, daß die Körper auch objektiv schwerer 
und leichter sind, entsprechend den Ergebnissen der übereinstimmenden 
subjektiven Schätzung. Dagegen ist die Empfindlichkeit oder die Fähig- 
keit, kleine Unterschiede zu erkennen, subjektiv verschieden. Es lassen sich 
also objektiv alle Körper in eine Reihe ordnen, die mit dem leichtesten an- 
fängt und mit dem schwersten aufhört, wobei unter Umständen mehrere 
Körper an die gleiche Stelle gesetzt werden müssen, da man ihr Gewicht 
als gleich empfindet. An beiden Enden ist die Reihe durch unsere Un- 
ähigkeit zu urteilen begrenzt. 
Meßapparate. Wiewohl der subjektive Faktor der Gewichtsmessung 
durch die Wahl einer Norm und durch passende Anordnung der Versuche 
einigermaßen ausgeschaltet werden konnte, blieb der begrenzte Umfang des 
Messungsgebietes und die begrenzte Genauigkeit der Unterscheidung doch 
als wesentlicher Nachteil bestehen, dessen Beseitigung so lange aussichtslos 
ist, als sich die Eigenschaften und Fähigkeiten des Menschen nicht wesent- 
lich ändern. Deshalb hat es einen sehr großen Fortschritt bedeutet, als durch 
die Erfindung der Meßapparate jene beiden Grenzen sehr erheblich er- 
weitert worden sind. 
Das Prinzip aller Meßapparate beruht darauf, daß man das zu messende 
Objekt auf ein geeignetes Gebilde wirken läßt, das dadurch in irgend einer 
arkennbaren Weise beeinflußt wird, und aus der Größe dieses Einflusses 
auf die Größe jenes Objektes schließt. Dies war 
ja das Verfahren mittels der Sinnesapparate. Es 
kommt jetzt also darauf heraus, daß man an die 
Stelle des menschlichen Sinnesapparates ein an- 
deres Gebilde setzt, welches sich bezüglich seiner 
Veränderlichkeit ähnlich verhält. Im übrigen 
werden wir dieselben Eigentümlichkeiten vorfin- 
den, die eben erörtert worden sind. 
Betrachten wir beispielweise eine gewöhnliche 
Briefwage (Fig. ı). Wenn wir den Gegenstand, 
dessen Gewicht wir erfahren wollen, auf den 
Teller legen, so dreht sich der mit dem Gewicht 
belastete Hebel und bleibt in irgend einer schiefen 
Stellung stehen. Dieser Drehungswinkel verhält sich Ähnlich wie die 
£mpfindung der Hebungsarbeit und man kann auch mit seiner Hilfe die 
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