Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

DIE CHEMISCHE KONSTITUTION 221 
anderen, weil es mit Sauerstoff zu Hydroxyl verbunden ist, während die 
übrigen mit Kohlenstoff vereinigt sind. Ferner verhalten sich die beiden 
Sauerstoffatome verschieden, indem das des Hydroxyls leichter angegriffen 
und entfernt wird. Endlich haben auch die beiden Kohlenstoffatome ver- 
schiedene Funktionen; das eine, mit. zwei Sauerstoffatomen verbundene, 
wird leicht in Kohlensäure übergehen, das andere wird sich dagegen als 
Methyl, CH, abspalten lassen. Alle diese Beziehungen, die eben aus der 
Formel abgeleitet wurden, sind tatsächliche; die Strukturformeln erfüllen 
also im hohen Grade den Anspruch, Reaktions- und: Konstitutions- 
formeln zu sein. 
Als Einheit der Valenz nimmt man die des Wasserstoffes an, weil nach 
der bisherigen Erfahrung ein einzelnes Atom irgendeines Elements sich 
nur mit einer bestimmten Anzahl Wasserstoffatome vereinigen kann und 
das Gesetz der multiplen Proportionen auf die Wasserstoffverbindungen, 
welche nur je ein Atom anderer Elemente enthalten, keine Anwendung 
findet. Leider bilden nur wenige Elemente Wasserstoffverbindungen, so daß 
die Feststellung der Valenzwerte mit deren Hilfe eine beschränkte ist. Mit 
Hilfe anderer durch Vermittlung des Wasserstoffs als einwertig erkannter 
Elemente (oder Radikale) ist man zu einer Erkenntnis der Valenz solcher 
Elemente gelangt, welche keine Wasserstoffverbindungen bilden. Doch 
haben sich dabei erhebliche Schwierigkeiten gezeigt, welche gegenwärtig 
noch nicht vollständig überwunden sind. 
Die bemerkenswerteste Beziehung der Valenzwerte, soweit solche be- 
kannt sind, hat sich zum periodischen System der Elemente ergeben, 
indem jene. sich gleichfalls als periodische Funktion der Elementaratome 
darstellen lassen. Die Valenz ist in der Tabelle S. 171 in jeder Vertikalreihe 
konstant und nimmt von Reihe zu Reihe um je eine Einheit zu. . Von der 
fünften Reihe ab nimmt sie ebenso regelmäßig ab, wenn man die Wasser- 
stoffverbindungen als entscheidend ansieht; die Chlor- und Sauerstoff- 
verbindungen zeigen dagegen eine fortlaufende Steigerung der Valenz. Da- 
neben macht sich allerdings die früher erwähnte Zugehörigkeit einzelner 
Elemente zu verschiedenen Reihen geltend. Mendelejew hat, wie erwähnt, 
zuerst diese Beziehungen hervorgehoben. 
Der vollständigen Durchführung der Valenztheorie haben sich, trotz der 
großen Übereinstimmung zahlreicher Tatsachen namentlich in der organi- 
schen Chemie, doch einige namhafte Schwierigkeiten in den Weg gestellt. 
Vor allen Dingen ist der an die Spitze gestellte Satz, daß das Verbindungs- 
bestreben. der Elementaratome stets durch die gleiche Zahl von Äquivalenten 
Defriedigt wird, nicht allgemein. Es gibt zahlreiche Verbindungen, welche 
auf gleiche Mengen eines Elementes eine verschiedene Zahl von Äquivalenten 
anderer Elemente aufweisen, wie z. B. Kohlenoxyd CO und Kohlensäure CO,; 
Stickstoffoxydul N,O, Stickstoffoxyd NO, Salpetrigsäureanhydrid N,O, und 
Stickstoffhyperoxyd NO,. Es ist hervorzuheben, daß dies Körper sind, 
deren Gasdichte man kennt, und über deren Molekulargröße daher kein 
Zweifel besteht.
	        
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