Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

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STÖCHIOMETRIE 
Umgekehrt liegt die Sache bezüglich der dritten Frage, der Konstitution, 
Dieser Begriff ist von vornherein ein ausgeprägt chemischer gewesen, in- 
dem man als die konstituierenden Bestandteile der Stoffe solche ansah, 
deren Bestand man durch eine mehr oder weniger lange Reihe von che- 
mischen Umwandlungen verfolgen konnte. Waren auf chemischem Wege 
solche Konstitutionsbeziehungen festgestellt, so sah man erst später nach, 
ob irgendwelche besondere physikalische Eigenschaften mit jenen zu- 
sammenhängen. Erst wenn ein solches Verhältnis an bekannten Fällen 
festgestellt war, entstand die Möglichkeit, es auf unbekannte anzuwenden, 
wobei noch reichliche Schwierigkeiten durch die unerledigte Grenzirage, wie 
weit man nämlich die Beziehung ausdehnen und anwenden dürfe, einzutreten 
pflegten. Daher ist oben die geschichtliche Entwicklung des Konstitutions- 
begriffes vorausgeschickt worden, denn es ist eine beständige gegenseitige 
Anpassung der chemischen und der physikalischen Methoden und Begriffe 
arforderlich, um in diesem schwierigen Felde den Weg nicht zu verlieren. 
Die Wahl der Verbindungsgewichte. Durch die Analyse geeigneter 
Verbindungen der Elemente ergeben sich deren Verbindungsgewichte nicht 
eindeutig. Denn es werden dadurch zwar die Zahlen festgestellt, nach 
welchen sich die Elemente vereinigen können; aber außer diesen Zahlen 
treten noch die durch das Gesetz der multiplen Proportionen bedingten 
rationalen Faktoren auf, und über deren Festsetzung ergeben die stöchio- 
metrischen Grundgesetze keine Auskunft. 
Wenn alle Elemente sich untereinander nur in einem Verhältnis ver- 
einigten, so könnte man diesen Zweifel dadurch vermeiden, daß man als 
Verbindungsgewichte eben die Werte wählte, die diese Verhältnisse aus- 
drücken; dann würde jede Verbindung immer je ein Verbindungsgewicht 
der darin vorhandenen Elemente enthalten. Dies ist aber nicht der Fall; 
vielmehr besagt das Gesetz, der multiplen Proportionen, daß diese Ver- 
hältnisse verschieden sein können, und die Erfahrung lehrt, daß sie es 
ın der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch sind. 
Es liegt hier somit noch eine Unbestimmtheit vor, und die Lehre von 
den Verbindungsgewichten ist in der Lage, noch weitere Beziehungen 
suchen zu müssen, um die hier vorhandene unerwünschte Freiheit so ein- 
zuschränken, daß eine eindeutige Bestimmung der ‚richtigen‘, d.h. der 
zweckmäßigsten Verbindungsgewichte möglich wird, 
Die mit dem Gesetz der Verbindungsgewichte in unmittelbarer Beziehung 
stehende Atomhypothese hat dieses weitere Bestimmungsstück nicht 
liefern können. Zwar verlangt sie auch, daß unter den möglichen Ver- 
bindungsgewichten nur eines das Atomgewicht sein könne; sie gibt aber 
kein unabhängiges Kriterium für die Bestimmung dieses Wertes an die 
Hand. 
Ein erster Versuch zur Gewinnung der Entscheidung wurde von Ber- 
zelius auf Grund des Gesetzes von Gay-Lussac über die Beziehungen 
zwischen Gasdichte und Verbindungsgewicht gemacht. Sind die Dichten 
der gasförmigen Elemente den Verbindungsgewichten oder einfachen ratic-
	        
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