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STÖCHIOMETRIE
Sätze aufgestellt worden, daß jedem bestimmten Stoff eine bestimmte Kristall-
form zukomme, und daß verschiedene Stoffe notwendig verschiedene Formen
‘außer im regulären System, wo solche nicht möglich sind) besitzen.
Gegen beide Sätze machten sich bald Erfahrungen geltend. Klaproth
hatte (1798) gefunden, daß .Kalkspat und Aragonit bei gleicher Zusammen-
setzung verschiedene Formen haben, und eine spätere Prüfung dieser An-
gabe konnte sie nur bestätigen. Andererseits fand man gleichgestaltete
Stoffe, die Alaune, die Rotgültigerze, die gemischten Vitriole von ganz ver-
schiedener Zusammensetzung. Die zur Erklärung versuchte Annahme,
daß die fraglichen Kristalle die fremden Stoffe nur eingemengt enthalten,
wurde durch die vollkommene Gleichförmigkeit und Durchsichtigkeit vieler
derselben widerlegt.
Durch Mitscherlich (1820) wurden diese Widersprüche aufgeklärt. Er
fand bei seinen Untersuchungen der phosphorsauren und arsensauren Salze,
daß diesen gleiche Kristallform zukommt, wenn sie in ähnlicher Weise zu-
sammengesetzt sind, d.h. wenn ihre Bestandteile gleich sind, außer daß
das eine Salz Phosphor, das andere Arsen enthält. Eine ähnliche Beziehung
fand sich bald bei vielen anderen Stoffen, so daß man allgemein sagen konnte:
auch chemisch ähnlich zusammengesetzten Stoffen kommt gleiche Kristall-
form zu,
Die Tatsache, daß chemisch ähnliche Stoffe in gleichen Formen kristal-
lisieren, ist von Mitscherlich mit dem Namen. Isomorphismus be-
zeichnet worden. Isomorph heißen zunächst die gleichgestalteten Stoffe,
also z. B. die Salze Na,HPO, + 12H,0 und Na,HAsO, + ı2H,0. Da
aber sehr viele analoge Verbindungen des Phosphors und des Arsens iso-
morph sind, so hat man sich gewöhnt, auch diese Elemente selbst isomorph
zu nennen, so daß dieser Name nicht nur für Stoffe gilt, welche gleiche Ge-
stalt haben, sondern auch für solche, welche mit denselben anderen Stoffen
gleichgestaltete Verbindungen bilden können.
Die Übereinstimmung der Winkel isomorpher Stoffe ist (außer im regu-
lären System) keine vollkommene; streng genommen müßte daher der Name
Isomorphie gegen Homöomorphie vertauscht werden. Die Abweichungen
sind bald größer, bald kleiner, und können bis zu mehreren Graden an-
steigen.
Ein sichereres Kriterium, als die Übereinstimmung der Winkel, ist für das
Stattfinden der Isomorphie die Fähigkeit isomorpher Stoffe, Mischkristalle
zu bilden. In solchen Kristallen sind die isomorph sich vertretenden Bestand-
teile nicht in stöchiometrischen Verhältnissen vorhanden, sondern in stetig
veränderlichen, welche von den Bildungsbedingungen abhängig sind. Nur
die Summe der isomorphen Elemente ist genau äquivalent der der Formel
der einfachen Verbindungen entsprechenden Menge, oder die isomorphen
Elemente vertreten sich im Verhältnis ihrer Äquivalentgewichte.
Die Eigenschaften solcher Mischkristalle sind im allgemeinen die, welche
sich aus denen der Gemengteile nach der Mischungsregel berechnen lassen.
Nachgewiesen ist dies von den Brechungskoeffizienten, den spezifischen