DIE CHEMISCHE KONSTITUTION 237
vor, daß sie nicht bei der kritischen Temperatur W = 0 gibt, wie sie müßte.
Es ist also der Koeffizient 84 seinerseits eine Funktion des Druckes, deren
Gang einstweilen unbekannt ist. Abweichungen von der Formel deuten auf
Abweichungen der Molargröße.
Weitere Gesetzmäßigkeiten beziehen sich auf die kritischen Kon-
stanten und das Theorem der übereinstimmenden Zustände. Sie
sind von Guye (1894), Ramsay (1894) u. a. erörtert worden, und haben
im allgemeinen Resultate ergeben, die mit den aus der Methode der Ober-
flächenspannung erhaltenen übereinstimmen. Doch sind sie weniger be-
stimmt als diese, und es wird daher diese Andeutung genügen.
Feste Stoffe. Über das Molargewicht fester Stoffe hat man auf folgende
Weise Auskunft zu gewinnen versucht. Es gibt feste Stoffe von veränder-
licher Zusammensetzung, auf welche man den Begriff der Lösung anwenden
kann. Solche Stoffe sind die isomorphen Gemische, ferner Palladiumwasser-
stoff und ähnliche Dinge, endlich solche gleichförmige Gemische, die durch
Zusammenkristallisieren nicht isomorpher Stoffe entstehen, und von denen
eine große Zahl nachgewiesen worden ist. Vermöge ihrer homogenen Be-
schaffenheit haben sie alle Anspruch auf den Namen Lösung. Durch die
Anwendung ähnlicher Überlegungen, wie sie zu den verschiedenen Methoden
der Molargewichtsbestimmungen an flüssigen Lösungen führen, hat man
aus den Eigenschaften dieser Gemische Schlüsse auf die Molekulargröße der
beteiligten Stoffe gezogen, indem man sie nach dem Vorgange van/’tHoffs
als feste Lösungen auffaßte.
Die Ergebnisse dieser Versuche, die indessen noch einigermaßen zweifel-
haft erscheinen, gehen. dahin, daß im allgemeinen auch die Stoffe in fester
Lösung keine besonders zusammengesetzten Molekeln enthalten; die Molar-
gewichte, die für sie berechnet worden sind, stimmen mit denen an Flüssig-
keiten meist überein. Dies schließt nicht aus, daß auch für gewisse feste
Stoffe eine größere Zusammengesetztheit anzunehmen ist; so kommt dem
festen Schwefel schwerlich eine kleinere Formel zu, als dem gelösten: im
letzteren Falle aber kann sie bis Sg ansteigen.
Aus der Erscheinung der Polymorphie fester Stoffe ist früher vielfach
der Schluß gezogen worden, daß die festen Stoffe aus sehr zusammen-
gesetzten Molekeln bestehen müßten, da die verschiedenen Formen nur
durch die verschiedene Zusammenlagerung der chemischen Molekeln zu
erklären sei.
Führt man die allotropen festen Stoffe in den flüssigen oder gasförmigen
Zustand über, so bleibt gewöhnlich von ihren Verschiedenheiten nichts
übrig. Der Dampf des roten Phosphors ist identisch mit dem des gelben.
Eine Lösung von rotem Phosphor ist indessen verschieden von der des gelben
und die Allotropie geht in diesem Falle auch in den gelösten Zustand über.
Eine Lösung von rhombischem Schwefel in Schwefelkohlenstoff unterscheidet
Sich in keinem Punkte von einer gleich zusammengesetzten Lösung, zu
welcher monokliner Schwefel verwendet wurde. Wohl aber bleiben einige
Zeit Unterschiede bestehen, wenn amorpher Schwefel in Lösung gebracht