Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

DIE CHEMISCHE KONSTITUTION | 249 
Die letzten Zahlen sind ziemlich unsicher, da sie nur aus wenig Verbin- 
dungen abgeleitet wurden. 
Am Stickstoff wurden, je nach der Natur der untersuchten Stoffe, sehr 
verschiedene Zahlen erhalten, die sich nicht einheitlich erklären ließen; 
ebenso gaben einige Schwefelverbindungen Abweichungen zu erkennen. 
Hier sind also die konstitutiven Einflüsse groß und wechselnd. 
Auch hat Buff (1865) gezeigt, daß die ungesättigten Verbindungen 
stets ein ‚etwas größeres Molarvolum aufweisen, als es sich aus Kopps 
Zahlenwerten der Atomvolume berechnet. Das gleiche Ergebnis ist später 
von Schiff und Horstmann erhalten worden; letzterer hat gleichzeitig 
den großen Einfluß nachgewiesen, welchen die chemische Konstitution noch 
in anderer Richtung, durch die sogenannte Ringschließung ausübt. 
Die spätere Entwicklung der Lehre von den Molarvolumen wurde lange 
Zeit dadurch gehemmt, daß die Forscher Versuche machten, die reine 
additive Form der Gesetzmäßigkeiten festzuhalten, und durch die Annahme 
besonderer Reihenkonstanten, verschiedener Werte der Atomvolume in ver- 
schiedenen Gruppen usw. die tatsächlichen Abweichungen von den ein- 
fachen Summenwerten der Koppschen Formel in einen Ausdruck von dem 
gleichen Typus aufzunehmen. Alle diese Versuche sind mißglückt; trotz- 
dem werden sie von einzelnen noch immer fortgesetzt. 
Erst in neuerer Zeit ist die sachgemäße Betrachtungsweise aufgekommen, 
daß das Molarvolum nicht eine rein additive Eigenschaft ist, sondern kon- 
stitutive Einflüsse enthält. Nun muß man sich aber sagen, daß es nie 
zwei Fälle geben kann, wo formell übereinstimmende chemische Änderungen 
zweier Stoffe als völlig gleichwertig angesehen werden können. Nehmen 
wir die Substitution, welche den geringsten bzw. regelmäßigsten Einfluß 
auf die chemischen Eigenschaften ausübt, den Ersatz von Wasserstoff durch 
Methyl. Die dabei entstehenden Stoffe nennt man gerade wegen der Gering- 
fügigkeit dieses Einflusses homolog. 
Während nun z. B. der Übergang von einem Alkohol zu dem nächst 
höheren homologen bei Verbindungen mit 20 und mehr Kohlenstoffatomen 
einen so geringen Einfluß übt, daß män beide an ihren chemischen Eigen- 
schaften kaum unterscheiden kann, ist die entsprechende Änderung um so 
größer, je weniger Kohlenstoffatome vorhanden sind, und wird zwischen 
Äthyl- und Methylalkohol am größten. Ähnliches gilt für alle entsprechenden 
Fälle. Man muß allgemein sagen, daß übereinstimmende Substitutionen oder 
sonstige chemische Änderungen in verschiedenen Stoffen nicht gleichwertig 
sind, ja streng genommen nie gleichwertig sein können. Deshalb gibt es 
auch nie zwei ganz gleichwertige Konstitutionsverschiedenheiten, und des- 
halb kann auch der konstitutive Einfluß analoger chemischer Verschieden- 
aeiten nie genau der gleiche sein. 
Die Aufgabe der Forschung auf diesem Gebiete kann daher nicht die 
Aufstellung irgendwelcher starrer Formeln sein, sondern es ist der Paralle- 
lismus zwischen der Mannigfaltigkeit der Konstitutionsverschiedenheiten 
und den entsprechenden Abweichungen des Molarvolums vom einfachen
	        
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