260
STÖCHIOMETRIE ;
vereinigen kann, welche andere Eigenschaften hat und inaktiv ist. Aus
der letzteren Tatsache folgt, daß die beiden aktiven Säuren in ihren op-
tischen Eigenschaften vollkommen symmetrisch sein müssen, da sich diese
sonst nicht vollständig kompensieren könnten. Die unmittelbare Messung
nat das gleiche ergeben.
Die weiteren Arbeiten von Pasteur und seinen Nachfolgern an ver-
schiedenen anderen Stoffen zeigten dies Verhalten als ganz allgemein; alle
optisch aktiven Stoffe treten paarweise auf, so daß immer ein rechter und
ein linker sich entsprechen; diese können sich zu inaktiven Verbindungen
vereinigen, welche man in Erinnerung an den ersten Fall der Traubensäure
racemische zu nennen pflegt.
Hieraus ist nun zu schließen, daß die chemische Eigenschaft, welche die
optische Drehung zur Folge hat, mit der. Eigentümlichkeit der Symmetrie
ausgestattet sein muß, so daß sie sich in zwei entgegengesetzt gleichen
Weisen betätigen kann.
Weiter wurde von Pasteur festgestellt, daß die unmittelbaren Abkömm-
linge eines optisch aktiven Stoffes (wie z. B. die Salze der Säuren) gleich-
jalls aktiv sind. Auch die ferneren Abkömmlinge sind es oft; doch gibt
es Änderungen, welche die Aktivität vernichten. Es ist.daraus zu schließen,
daß das Drehvermögen an einem bestimmten Komplex in diesen Verbin-
dungen haftet, und ein Hilfsmittel zur Erkennung eines solchen Komplexes
liegt in dem Auftreten bzw. Verschwinden des Drehvermögens.
Das unsymmetrische Kohlenstoffatom. Als allgemeines Kennzeichen
aktiver Komplexe wiesen gleichzeitig (1874) van ’t Hoff und Le Bel das
Vorhandensein eines „asymmetrischen Kohlenstoffatoms‘‘, d. h. eines mit
vier verschiedenen Elementen oder Radikalen verbundenen Kohlenstoff-
atoms nach.
Zur Durchführung des Satzes, daß optisches Drehvermögen und asymme-
trischer Kohlenstoff miteinander in kausalem Verhältnis stehen, war ein
zweifacher Beweis zu führen.
Ist nämlich das asymmetrische Kohlenstoffatom die Ursache der optischen
Drehung, so muß einerseits jeder drehende Stoff ein solches besitzen, anderer-
seits jede ein asymmetrisches Kohlenstoffatom besitzende Verbindung sich
als optisch aktiv erweisen.
Von diesen beiden Schlüssen ließ sich der erste verhältnismäßig leicht
bewahrheiten. Bis auf wenige zweifelhafte Fälle, die bald zugunsten der
Theorie Erledigung fanden, waren in allen als aktiv bekannten Stoffen
entweder aus rein chemischen Gründen bereits solche Konstitutionsverhält-
nisse angenommen worden, oder sie konnten ohne Widerspruch mit an-
deren Tatsachen angenommen werden. Nach dieser Seite konnte also die
Theorie als zutreffend bezeichnet werden.
Nach der anderen Seite sah es scheinbar weniger günstig aus, denn es
waren sehr viele Stoffe bekannt, in denen nach ihren chemischen Verhält-
nissen asymmetrische Kohlenstoffatome angenommen werden mußten, wäh-
rend sie kein Drehvermögen aufwiesen.