DIE CHEMISCHE KONSTITUTION
ten oder linken Weinsäure. Es können aber auch zwei asymmetrische Kohlen-
stoffatome verbunden sein, welche entgegengesetzte Wirkungen auf
den Lichtstrahl ausüben. Dann findet, da die Konstitution der beiden im
vorliegenden Falle eine symmetrische ist, eine Kompensation innerhalb der
Molekel selbst statt: der Stoff muß optisch inaktiv sein und kann auch
nicht in aktive Anteile gespalten werden.
Durch die ausgeprägte konstitutive Beschaffenheit des optischen Dreh-
vermögens ist das Vorhandensein ausgedehnter additiver Beziehungen von
vornherein ausgeschlossen. Doch liegt immerhin die Möglichkeit vor, daß
innerhalb engerer Gruppen vergleichbarer Stoffe additive Eigentümlich-
keiten auftreten, wie dies sich bei den Siedepunkten gezeigt hatte.
Die Untersuchung solcher Fälle hat indessen auch hier anderes ergeben.
Das Ansteigen in der homologen Reihe bedingt nicht gleiche Änderungen
des Drehvermögens, sondern dieses geht einen besonderen Gang, wenn man
hinreichend viele Glieder der Reihe untersucht: es steigt erst in einer Rich-
tung, erreicht einen höchsten Wert und nimmt dann wieder langsam ab.
Als Beispiel seien Messungen der molaren Drehung von Frankland über
die Ester der Glycerinsäure angeführt:
Methylester der Glycerinsäure — 5:76
Äthylester ‚,, — 12°31
Propylester ‚,, „ — 19°16
n-Butylester ‚,, ; — 17°85
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Wenn nur kleinere Teile solcher Gruppen vorliegen, so scheint oft die
Änderung der Drehung einsinnig zu verlaufen; das hierbei vermutete all-
gemeine Gesetz hat sich indessen nicht in einfacher Gestalt bestätigen
lassen.
Viel einfachere Verhältnisse zeigen die Salze in verdünnter wässeriger
Lösung. Bei diesen wird die konstitutive Eigenschaft der molekularen
Drehung rein additiv, so daß z. B. die Salze mit einer aktiven Säure und
beliebigen inaktiven Basen alle das gleiche Drehvermögen haben. Die Er-
klärung dieses besonderen Verhaltens liegt darin, daß die Eigenschaften
verdünnter Salzlösungen sich entsprechend der elektrolytischen Dissoziation
additiv aus denen der Ionen zusammensetzen (S. 211).
Außer den aktiven Verbindungen des asymmetrischen Kohlenstoffs sind
noch solche des asymmetrischen Stickstoffs, Schwefels, Selens und Zinns
aergestellt worden. Sie verhalten sich ganz wie die entsprechenden Kohlen-
stoffverbindungen,
Magnetische Drehung. Eine Gruppe von Erscheinungen, welche mit
den vorbeschriebenen in einiger Beziehung stehen, ist die von Faraday (1846)
entdeckte magnetische Drehung der Polarisationsebene. Sie be-
steht darin, daß durchsichtige Körper, welche in ein magnetisches Feld,
z. B. in das Innere einer von einem galvanischen Strome durchflossenen
Drahtspule gebracht werden, vorübergehend, nämlich so lange die mag-
netische Einwirkung dauert, die Fähigkeit zur Drehung der Polarisations-