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CHEMISCHE THERMODYNAMIK
deren andere Glieder und Gesamtwert bekannt sind. So kann man z. B.
nicht die Wärmemenge messen, welche bei der Verbrennung der Kohle zu
Kohlenoxyd frei wird. Mißt man aber die Wärmemenge, ‚welche man er-
hält, wenn man Kohle zu Dioxyd verbrennt, so muß sie gleich sein der Ver-
brennungswärme von Kohle zu Kohlenoxyd plus der von Kohlenoxyd zu
Dioxyd. Letztere kann man gleichfalls messen; zieht man die Zahl von der
ersteren ab, so erhält man die gesuchte Verbrennungswärme von Kohle zu
Kohlenoxyd.
Neben und nach Heß, welcher als der eigentliche Begründer der Thermo-
chemie anzusehen ist, wirkten andere Forscher, so Andrews, Graham
und namentlich Favre und Silbermann, welch letztere ein sehr reich-
liches Beobachtungsmaterial sammelten. An Klarheit der Anschauungen
stehen sie alle hinter Heß zurück.
Die Ergebnisse der inzwischen entwickelten mechanischen Wärmetheorie
wurden von J. Thomsen zuerst (1853) auf die Thermochemie angewendet;
dieser Forscher hat bis in die neuere Zeit eine überaus große Zahl von
Messungen auf diesem Gebiete, großenteils von erheblicher Genauigkeit,
ausgeführt. Später (1865) begann Berthelot sich mit ähnlichen Problemen,
besonders auch im Gebiete der organischen Chemie zu beschäftigen. Beide
Forscher sind diejenigen, welchen wir den größten Teil unserer Kenntnisse
auf dem Gebiet der Thermochemie verdanken. Eine große Zahl von sehr
genauen Bestimmungen über Verbrennungswärmen haben F. Stohmann
und W. Luginin geliefert.
Thermochemische Methoden. In der Thermochemie hat man bisher
als Wärmeeinheit die Kalorie benutzt, d. h. die Wärmemenge, welche
zur Erwärmung von ı g Wasser um einen Grad erforderlich ist. Es ist bereits
dargelegt worden, daß diese Einheit nicht rationell ist, und durch das Erg
oder ein Vielfaches.davon ersetzt werden muß. Für die Zwecke der Thermo-
chemie ist der Wert von 101° Erg gleich 1000 Joule, oder das Kilojoule = k]
eine zweckmäßige Einheit. Sie soll in der Folge benutzt werden. Der Um-
rechnung aus den gewöhnlichen Angaben ist die bei 18° gemessene Kalorie
nach Rowland, ı cal = 41830000 Erg zugrunde gelegt worden.!) Dies ist
dadurch gerechtfertigt, daß die. meisten thermochemischen Bestimmungen
auf diesen Wert bezogen sind.
Um also eine in Kilojaule = kj gegebene Zahl auf gewöhnliche Kalorien
umzurechnen, ist sie mit 0:004 183 zu dividieren oder mit 239°1 zu multipli-
zieren. Will man mittlere Kalorien K = 100 cal erhalten, so ist der Fak-
tor 2°391.
Thermochemische Gleichungen. Die thermochemischen Tatsachen lassen
sich kurz und zur Rechnung geeignet darstellen, wenn die Bedeutung der
gewöhnlichen chemischen Gleichungen dahin erweitert wird, daß sie nicht
*) In neuester Zeit ist als Mittel aller vorhandenen Bestimmungen die Zahl 41870000
vorgeschlagen worden, Der Unterschied von !/,ooo ist so gering, daß ich vorläufig den
älteren, vielbenutzten Koeffizienten 41830000 beibehalten habe.