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KOÖLLOIDCHEMIE
änderungen erleiden; durch die sie ihre Löslichkeit verlieren und nicht mehr
ausgewaschen werden können. Solche Änderungen sind natürlich für die
Färberei besonders wertvoll und man sucht sie herzustellen oder zu befördern.
Sie haben zu dem noch. immer fortwährenden Streit über die Frage Anlaß
gegeben, „ob die Färbung ein chemischer oder physikalischer Vorgang sel‘.
Da beide Fälle sich gegenseitig nicht ausschließen, ist die Fragestellung in
dieser Form von vornherein verfehlt. Aber auch insofern ist sie verfehlt,
als gerade in diesem Gebiete der Unterschied beider Fälle unbestimmt und
schwankend ist, da er von einigermaßen willkürlichen Definitionen abhängt.
Bestimmter ist die Fragestellung, ob die Färbung ein reiner Adsorptions-
vorgang ist, oder ob andere Vorgänge auch eine Rolle spielen. Die Antwort
lautet unzweifelhaft dahin, daß es sowohl Färbungen gibt, die auf reiner
Adsorption beruhen, wie auch andere und zahlreichere, bei denen noch
weitere Faktoren mitwirken. Sache der Wissenschaft ist es, diese Faktoren
ıach ihren Gesetzen einzeln aufzudecken.
Die Oberfläche der Lösungen. Flüssige Lösungen erfahren in ihrer
Oberfläche außer der Energieaufnahme zufolge der Bildung einer Grenzfläche
gegen ihren Dampf noch eine weitere Änderung, die sich in einer anderen
Zusammensetzung der Oberfläche im Verhältnis zum Inneren ausspricht.
Denn wenn man sich zunächst eine Oberfläche von der gleichen Zusammen-
setzung gebildet denkt, so wird diese im allgemeinen nicht im Gleichgewicht
mit dem Innern sein. Ist insbesondere einer der Bestandteile der Lösung
ein Stoff mit sehr kleiner Oberflächenspannung, so wird die Energie der
Oberfläche kleiner, wenn durch den Eintritt eines Überschusses dieses Stoffes
die Spannung entsprechend vermindert wird. Offenbar wird.ein solcher Stoff
so lange in die Oberfläche treten, bis die Arbeit, welche erforderlich ist, ihn
der Lösung zu entziehen, gerade aufgewogen wird durch die Arbeit, welche
durch die entsprechende Verminderung der Oberflächenspannung gewonnen
wird. Es wird also eine allgemeine Tendenz bestehen, daß Stoffe geringer
Oberflächenspannung in die Grenzfläche treten, auch wenn sie in geringer
Menge anwesend sind, sich dort verhältnismäßig konzentrieren und die
Spannung entsprechend vermindern. Umgekehrt wird aber ein Stoff mit
zroßer Oberflächenspannung, wenn er in kleiner Menge neben anderen geringer
Spannung vorhanden ist, keinen Einfluß auf die Spannung der Lösung
ausüben, denn er kann nicht in die Oberfläche gehen, weil er die Spannung
vermehren würde und hierzu ein Energieaufwand erforderlich wäre, der nicht
zur Verfügung steht, weil auch die Fortschaffung aus der Lösung Arbeit
erfordert und nicht etwa welche liefert (W. Gibbs 1874).
Die Erfahrung bestätigt diese allgemeine Betrachtung durchaus. Wasser
ist ein Stoff mit großer Oberflächenspannung, und es ist seit langem bekannt,
daß sehr geringe Mengen von Verunreinigungen mit kleiner Oberflächen-
spannung einen sehr bedeutenden Einfluß darauf haben. Bestimmungen
dieser Größe an. Wasser und wässerigen Lösungen galten daher als besonders
schwierig ausführbar; diese Schwierigkeiten verlieren sich indessen, wenn man
die Oberfläche häufig erneut und sie gegen Verunreinigungen sachgemäß schützt.