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PHOTOCHEMIE
Wir nennen die Energie, welche wir (und die anderen Planeten) derart
von der Sonne erhalten, strahlende Energie. Das Licht ist nur ein ver-
hältnismäßig enger Ausschnitt aus der Mannigfaltigkeit dieser Energie,
nämlich nur der Teil, der in unserem Auge bestimmte chemische Vorgänge
hervorzurufen vermag und derart zu der Lichtempfindung Anlaß gibt.
Psychologisch gesprochen ist also das Licht (als Empfindung) erst ein Um-
wandlungsprodukt der strahlenden Energie. Ein anderes, überaus leicht-ent-
stehendes Umwandlungsprodukt ist die Wärme, und dies hat Anlaß gegeben,
dieser Energieart auch den Namen der strahlenden Wärme beizulegen. Das
ist ebensowenig berechtigt, wie wenn man etwa wegen der Umwandelbarkeit
der Bewegungsenergie in Wärme der ersteren den Namen der fliegenden
Wärme beilegen wollte.
Die strahlende Energie erkennen wir fast nur in ihren Umwandlungs-
produkten, denn sie ist von allen Arten der Energie die immateriellste, Sie
ist m. a. W. nicht dauernd mit den Raumgebilden verbunden, innerhalb
deren wir Masse und Gewicht antreffen, und welche wir deshalb Körper
oder Materie nennen. Vielmehr bewegt sie sich ffei durch den Raum ohne
jeden nachweisbaren materiellen Träger. Um der Denkgewohnheit Rechnung
zu tragen, derzufolge man sich die Energie nicht ohne einen Träger vorstellen
mag, hat man einen solchen hypothetisch eingeführt und ihh Äther genannt.
Es macht aber sachlich gar keinen Unterschied, ob man die Eigenschaften
des Äthers dem Raume selbst zuteilt, oder noch ein besonderes raumerfüllen-
des Etwas annimmt. Denn man kann letzteres nie nachweisen, sondern nur
die im Raume vorhandenen Energien; daher kann es auch niemals einen
sachlichen Unterschied machen, ob man die an diesen räumlich ausgeteilten
Energien beobachteten Eigenschaften dem Raume selbst zuschreibt oder
einem an gleicher Stelle vorhandenen ‚,Träger‘“. Denn selbst, wenn man,
wie oben geschehen, die Beweise für die räumliche Heterogenität der Stoffe
oder für deren atomistische Struktur als ausreichend anerkennt, so bedeutet
dies nichts mehr oder weniger, als daß man für die Energien, durch deren
Zusammensein im Raume die besonderen Eigenschaften wie Masse, Gewicht,
chemische Beschaffenheit usw. hervorgerufen werden, an Stelle der stetigen
räumlichen Anordnung eine rhythmisch differenzierte annimmt, derart,
daß die fraglichen Energien in einzelnen Punkten eine sehr viel größere
Konzentration aufweisen, als in deren nächster Nachbarschaft. Es steht
mit anderen Worten die energetische Auffassung nirgend im
Widerspruch mit der atomistischen; letztere muß vielmehr zu-
nächst alle Forderungen der Energetik erfüllen, bevor sie an die
Entwicklung ihrer besonderen Vorstellungen geht. Eine solche
körnige oder atomistische Beschaffenheit für den Äther, d. h. für den Raum
anzunehmen, in welchem sich strahlende Energie betätigt, ist bisher noch
durch keinerlei experimentelle Tatsache nötig geworden. Dagegen ist für
die in der Strahlung betätigte Energie in neuester Zeit eine elektro-
magnetische Beschaffenheit so gut wie sicher geworden, und für die elek-
trische Energie hat sich, ähnlich wie für die mechanische, eine körnige oder