Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

DIE STRAHLENDE ENERGIE 557 
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der Luft in Sauerstoff, welcher entweicht, und in kohlenstoffhaltige Verbin- 
dungen, namentlich Stärke, welche zurückbleiben, ist. Da die Verbrennungs- 
wärme der Stärke zu Kohlensäure und Wasser 17°24 kj für jedes Gramm be- 
trägt, so ist dieselbe Energiemenge erforderlich, um aus den der Pflanze zu- 
gänglichen Stoffen, Kohlendioxyd und Wasser, Stärke zu bilden. Diese 
Energie wird ausschließlich als Strahlungsenergie von der Sonne geliefert, 
denn die Pflanzen vermögen nur im Sonnenlicht die Reduktion der Kohlen- 
säure auszuführen. 
Man übersicht alsbald, wie dieser Vorgang die Energie in weit brauch- 
barerer Form liefert, als die meteorologischen Vorgänge, und in der Tat ist 
der Anteil, welchen die letzteren im Betrieb von Wind- und Wassermühlen 
liefern, sehr klein im Verhältnis zu dem, welcher durch die Lebenstätigkeit 
der Pflanzen aufgespeichert wird. Alles Brennmaterial der Technik hat diesen 
Ursprung. Und der menschliche und tierische Organismus kann seinen 
Energiebedarf überhaupt nicht anders decken, als auf Kosten der von den 
Pflanzen gesammelten Energie. 
Da indessen die Vorräte an fossilen Brennstoffen nicht unbegrenzt sind und 
nicht ergänzt werden, so entsteht die wichtige Frage, was aus unserer Kultur 
werden soll, nachdem jene verbraucht sind. Hierauf ist zu antworten, daß 
schon jetzt die oben erwähnten meteorologischen Energien in Gestalt. von 
Wasserläufen und Wasserfällen sehr viel vollständiger ausgenutzt zu werden 
beginnen, seit man sie zweckmäßig in elektrische Energie zu verwandeln ge- 
lernt hat. Und für eine fernere Zukunft ist die unmittelbare Umwandlung 
der strahlenden Sonnenenergie in elektrische das Ziel. Da unter günstigsten 
Umständen die grünen Pflanzen nicht mehr als !/,,2 der Sonnenstrahlung 
aufspeichern, so ist hier ein weiter Raum für Verbesserungen vorhanden. 
Die Bildwirkung der strahlenden Energie. Eine sehr wichtige Eigen- 
tümlichkeit der strahlenden Energie ist die, daß sie sich mit äußerster Feinheit 
räumlich verteilen läßt. In auffallendem Gegensatze zu der an den 
Stoffen haftenden Wärme, welche einem beständigen Vermischungs- oder 
Diffusionsvorgang unterworfen ist, bleiben die räumlichen Verschiedenheiten 
der strahlenden Energie auf das genaueste erhalten, auch nachdem sie sich 
Millionen von Meilen durch den Raum bewegt hat. 
Von dieser Eigenschaft hängt zunächst die Fähigkeit des Sehens ab, d. h. 
die Betätigung des wichtigsten, weil mannigfaltigsten unserer Sinne. Die 
zahllosen feinen und feinsten Unterschiede, mit welchen die strahlende Energie 
die Objekte verläßt, erzeugen auf der Netzhaut des Auges entsprechend ab- 
gestufte chemische Vorgänge, die uns ein treueres und vollständigeres Bild 
der Außenwelt vermitteln, als jeder andere Sinn. Auch eine technische Be- 
deutung hat diese Eigenschaft der strahlenden Energie gewonnen; in der 
Photographie werden Vorgänge von ganz vergleichbarer Beschaffenheit 
auf der lichtempfindlichen Platte hervorgerufen, welche eine dauernde Auf- 
bewahrung augenblicklicher Zustände und Erscheinungen ermöglichen. 
Ältere Geschichte. So entwickelt sich denn auch die wissenschaftliche 
Photochemie wie die Thermochemie an den beiden Problemen, dem physio-
	        
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