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DIE CHEMISCHE VERWANDTSCHAFT
Das Verhältnis zwischen Essigsäure und Glykolsäure ist ı : 8, das zwischen
dieser und der Glyoxalsäure 1:3. Die zweite Substitution des Hydroxyls
hat also eine geringere Wirkung hervorgebracht, als die erste. Dies Ergebnis
stellt sich ganz dem an den gechlorten Essigsäuren erhaltenen an die Seite.
Mit der Thioglykolsäure kann die Thiacetsäure verglichen werden. Die
Konstante ist:
Thiacetsäure CH; . COSH 0:0469.
Thioglykolsäure hat o:o225, die Zahl der Thiacetsäure ist somit doppelt
30 hoch. Die Ursache liegt in der viel unmittelbareren Beziehung zwischen
dem eingetretenen ‚negativen‘ Schwefelatom und dem Säurewasserstoff,
welche in der Thiacetsäure vorhanden ist, und welche die Wirkung des
Schwefels demgemäß viel kräftiger sich betätigen läßt.
Ähnliche Verhältnisse, wie die hydroxylierten Essigsäuren, zeigen die
hydroxylierten Propionsäuren. Es gibt deren zwei mit verschiedener Stellung
des Hydroxvyls; ihre Konstanten sind:
Propionsäure CH; . CH, . CO,H 0:00145
Milchsäure CH, . CH(OH)CO,H 0:0138
3-Oxypropionsäure CH,OH . CH, . CO,H 0:00311
Während das in der «-Stellung eingetretene Hydroxyl die Konstante der
Propionsäure auf den zehnfachen Wert erhoben hat, wirkt derselbe Sub-
stituent von der ß-Stelle aus nur mit dem Faktor 2:3. Es ist dies eine sehr
anschauliche Bestätigung des allgemeinen Satzes, daß die Wirkung der
einzelnen Elemente auf die Affinitätseigenschaften nicht nur von ihrer
Natur, sondern in maßgebender Weise von ihrer ‚,Stellung‘“ oder Konstitution
abhängt.
Wird in die Milchsäure ein ß-Hydroxyl eingeführt, so. entsteht die
Glycerinsäure
Glycerinsäure CH,(OH) . CH(OH)CO,H 0:0228.,
Das Verhältnis der Konstanten zur Milchsäure ist 1:7, während das zwischen
Propion- und ß-Oxypropionsäure 2°3, beträgt. Die Änderung ist in beiden
Fällen von gleicher Größenordnung, aber kleiner in dem Falle, wo bereits
der Substituent einmal vorhanden war. Es ist dies dieselbe Beziehung,
welche bei der gechlorten und hydroxylierten Essigsäure beobachtet wurde.
Ein ähnlicher Einfluß der Entfernung des Substituenten läßt sich bei der
Lävulinsäure erkennen.
Lävulinsäure CH; .CO.CH,. CH, . COOH 0:00255.
Die Säure steht, abgesehen von der Stellung der CO-Gruppe, zu der Valerian-
säure in demselben Verhältnis, wie die Glyoxalsäure zur Essigsäure. Doch
ist sie nur um 1°5mal stärker als diese, während die Essigsäure beim Über-
gang in Glyoxalsäure die Konstante im Verhältnis ı : 26 erhöht. Der enorme
Unterschied ist der entfernten Lage des. Sauerstoffatoms (oder der äqui-
valenten beiden OH-Gruppen) in der Lävulinsäure zuzuschreiben.