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DIE STOFFE
Meßröhre über, und aus den Ablesungen an dieser kann das entsprechende
Gewicht des Normalgases in bekannter Weise bestimmt werden. Das Ver-
fahren hat den großen Vorteil, daß es bei allen Temperaturen, für welche
man haltbare Gefäße herstellen kann, Anwendung findet, und daß man
die Temperatur des Dampfraumes nicht zu kennen braucht;
letztere muß nur während des Versuches konstant sein.
Um, was für bestimmte Fragen von Wichtigkeit ist, die. Temperatur des
Dampfraumes kennen zu lernen, verdrängt V. Meyer die Luft daraus durch
Chlorwasserstoffgas, und fängt sie über Wasser auf, welches das Chlorwasser-
stoffgas aufnimmt. Ist v’das Volum der ausgetriebenen Luft bei der Zimmer-
temperatur T’, und v das Volum des Dampfraumes, so ergibt sich seine
Temperatur T nach dem Gesetz von Gay-Lussac aus der Proportion:
vıv= T’':T,
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Andere Verfahren, welche in besonderen Fällen zu benutzen sind, hat man
mannigfach erfunden und beschrieben, doch sind sie nicht in allgemeineren
Gebrauch gekommen und können daher hier übergangen werden.
Abweichungen vom Gasgesetz. Die ersten Untersuchungen über die
Frage, wie genau das Boylesche Gesetz das Verhalten der Gase darstellt,
machte Despretz 1825, nachdem schon früher van Marum und Oersted
einzelne Beobachtungen mitgeteilt hatten, nach denen Abweichungen vor-
handen schienen. Er kam zu der Ansicht, daß solche Gase, welche dem
Punkte, wo sie in Flüssigkeiten übergehen, nahe sind, sich im allgemeinen
stärker zusammendrücken lassen, als dem Boyleschen Gesetze entspricht.
An der Luft konnten Arago und Dulong, welche 1829 mit größeren
Mitteln die Versuche aufnahmen, bis. 27 Atmosphären keine Abweichung
entdecken. Andere Gase wurden nicht untersucht. Pouillet verglich
Kohlendioxyd, Stickstoffoxydul, Methan und Äthylen mit Luft, und fand
bei allen eine Abweichung in demselben Sinne, d. h. die Gase ließen sich
stärker zusammendrücken, als dem Boyleschen Gesetze entsprach. Die
letzten beiden Gase waren noch nicht in flüssigem Zustande bekannt. Sehr
amfassende Versuche rühren von Regnault her. Aus ihnen ergab sich,
daß überhaupt kein Gas dem Boyleschen Gesetze genau folgt. Außer der
vereits bekannten Abweichung der zu großen Zusammendrückbarkeit zeigte
sich beim Wasserstoffe das entgegengesetzte Verhalten, es ist nach Regnaults
Ausdruck ein „gaz plus que parfait“‘.
Indessen erwies es sich bald, daß dieses Verhalten, so unerwartet es an-
fangs war, sämtlichen Gasen zukommt, wenn sie sehr starken Drucken
ausgesetzt werden, vorausgesetzt, daß sie sich bei diesen Drucken nicht ver-
flüssigen. Natterer (1850) fand diese Tatsache bei seinen vergeblichen
Versuchen auf, die sogenannten permanenten Gase, Sauerstoff, Wasserstoff
und Luft, zu verflüssigen.
So interessant auch Natterers Ergebnisse waren, und so sehr sie zu