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DIE STOFFE
Temperatur den Druck beständig erhöhen oder bei konstantem Druck
die Temperatur erniedrigen, um den Vorgang fortsetzen zu können,
und der letzte Anteil Dampf verschwindet erst bei einem höheren Drucke
bzw. einer niedrigeren Temperatur, als die erste Flüssigkeit aufgetreten
war.
Gleichteilige Gase oder Flüssigkeiten, die man aus zwei oder mehreren
Gasen oder Flüssigkeiten mit verschiedenen spezifischen Eigenschaften er-
halten hat, zeigen immer beim Verdampfen oder Verflüssigen die Lösungs-
eigenschaften. Daher die Berechtigung dieses Namens für solche Stoffe,
von denen man zwar nicht weiß, daß sie aus verschiedenen zusammengesetzt
worden sind, die sich aber nicht unter konstanten Bedingungen verdampfen
Dzw. verflüssigen lassen.
Da die reinen Stoffe bei weitem einfacheren Gesetzen folgen, so werden
wir uns zunächst ausschließlich mit ihnen beschäftigen und auf die Lösungen
erst später eingehen. Wenn also forthin von Stoffen die Rede
ist, sollen stets reine Stoffe in dem hier beschriebenen Sinne
gemeint sein.
Der Dampfdruck. Die eben beschriebenen Verhältnisse bei reinen Stoffen
oringen es mit sich, daß auf das Nebeneinanderbestehen von Dampf und
Flüssigkeit die relativen und absoluten Mengen der beiden keinen Einfluß
haben. Denn ein reiner Stoff wurde eben dadurch definiert, daß ohne Ände-
rung des Druckes und der Temperatur jeder beliebig große Anteil der Flüssig-
keit in Dampf verwandelt .werden kann und umgekehrt derart, daß beide
nebeneinander unverändert bestehen bleiben, solange man das Volum nicht
verändert und keine Wärme zu- oder abführt. In sachgemäßer Erweiterung
des Begriffes Gleichgewicht als eines mit der Zeit nicht veränder-
lichen oder von der Zeit unabhängigen Zustandes wendet man
dasselbe Wort auch auf alle anderen Zustände an, falls sie von der Zeit un-
abhängig sind, und bezeichnet somit auch die beschriebene Beziehung
zwischen Dampf und Flüssigkeit als Gleichgewicht. Und zwar ist es der
erste und einfachste Fall des chemischen Gleichgewichts im weiteren
Sinne, der uns hier entgegentritt.
Dieses Gleichgewicht ist von der Natur des untersuchten reinen Stoffes
abhängig und gehört zu seinen spezifischen Eigenschaften. Und zwar ist
es SO beschaffen, daß es bei verschiedenen Temperaturen eintreten kann;
nur ist dann auch der Druck entsprechend verschieden, indem zu einer
nÖheren Temperatur auch immer ein höherer Druck gehört, damit Gleich-
gewicht möglich ist, d.h. damit ‘Dampf und Flüssigkeit nebeneinander
bestehen können. Ist der Druck gegeben, und sucht man die Temperatur,
dei welcher Dampf neben Flüssigkeit besteht, indem man von der Flüssig-
keit ausgeht und sie zunehmend erhitzt, so nennt man diese Temperatur,
die man daran erkennt, daß sich Dampfblasen entwickeln, die Siedetem pe-
ratur oder auch den Siedepunkt. Ist umgekehrt die Temperatur gegeben
und sucht man den Druck, bei welchem Dampf neben der Flüssigkeit be-
steht, so spricht man vom Dampfdruck. Geht man andererseits vom