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DIE STOFFE
der langsamen Diffusion in Gasen bleibt aber die Hauptmenge lange „über-
sättigt‘‘.
Bei verhältnismäßig starker Abkühlung erscheint auch in staubfreier
Luft Nebel,
Daß Flüssigkeiten unter Drucken nicht verdampfen, die weit unter ihren
Dampfdrucken liegen, zeigt sich in den Erscheinungen der „Überhitzung“.
In sorgfältig gereinigten Gefäßen kann man Wasser bis um 1009 über den
Siedepunkt erwärmen, und in einem gut ausgekochten Barometer sinkt das
Quecksilber nicht auf seinen normalen Stand, sondern füllt die ganze Röhre
aus, wenn diese auch ein Meter oder mehr zu hoch ist. Ist aber erst einmal
das Quecksilber gesunken, wobei eine sehr kleine Menge Gas abgeschieden
ist, so gelingt der Versuch nicht mehr, wenn das Bläschen nicht durch er-
neutes Auskochen beseitigt wird.
Es ist also durch die Knickstellen in den Isothermen der Fig. 12 kein
Ende des flüssigen, bzw. gasförmigen Zustandes gegeben; diese können
vielmehr über diese Punkte hinaus fortbestehen, und zwar, wie die Beobach-
tung gelehrt hat, in stetiger Fortsetzung der Isotherme.
Die Isothermen werden somit die Gestalt haben, wie sie in Fig. 14 an-
gedeutet ist. Gehen wir vom Gaszustande a aus, so endet dieser nicht an
dem Punkte b, wo die Dampfdrucklinie bd
beginnt, sondern sie läßt sich über b hinaus
stetig, etwa nach ß fortsetzen. Ebenso
endet die Flüssigkeitsisotherme nicht in d,
bei dem Dampfdrucke der Flüssigkeit, son-
dern man kann sie ein Stück in der Rich-
tung dy in das Gebiet kleinerer Drucke
vdeobachten. Es ist deshalb von James
Thomson. (1872) die Vermutung ausge-
sprochen worden, daß die Isothermen nicht
nur oberhalb, sondern auch unterhalb des
kritischen Punktes stetig zusammen-
hängen, und daher die Form abßcyde
haben.
Von dieser stetigen Isotherme lassen sich
- die Teile bß und dy wenigstens teilweise
beobachten; von dem hypothetischen Teile ßcyY wird man aber sagen müssen,
daß er sich nie als dauernde Erscheinung wird erhalten lassen. Denn während
in den Teilen aß und ey ein wirkliches Gleichgewicht möglich ist, indem bei
zunehmendem Druck sich das Volum verkleinert, also sich so ändert, daß
der Druck verringert wird, so müßte im Teil ßcy das Gegenteil stattfinden:
mit steigendem Druck würde das Volum wachsen und die Drucksteigerung
unbegrenzt weiter vermehren, und ebenso würde mit abnehmendem Druck
auch das Volum abnehmen und die Druckverminderung nicht begrenzen,
sondern steigern. Die durch den Teil [Bey gekennzeichneten Zustände
würden daher, wenn sie auch herstellbar wären. sich l1abil im Sinne der
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