Architektur der Hofanlagen.
89
Architektur der Hofanlagen.
Wie die Baukunst in der Ausgestalung der Innenräume ein Macht-
mittel besitzt, womit sie den Beschauer stark zu packen vermag wie
kaum eine andere Kunst, weil sie ihn da ganz umgibt und mit ihrem
Zauber erfüllt, so kann eine ähnliche Wirkung auch in geschlossenen
oder einseitig offenen Hofanlagen hervorgerufen werden. Freilich
dürfen wir nicht die öden, melancholischen, jeden Reizes baren Höfe
und Hoffassaden der Wohnhäuser unserer Zeit betrachten, die meist
nur das Ergebnis der Bauspekulation sind, sondern wir müssen unter
den Bauwerken vergangener Zeiten suchen. Abgesehen von den
Säulenhöfen der antiken Wohnungen mit ihrer heiteren Pracht, finden
wir da besonders am Ausgange der gotischen Epoche und in der Zeit
der Frührenaissance unter den Burg- und Klosterhöfen und denen
städtischer Bauten, öffentlicher sowohl als privater, höchst beachtens-
werte und originelle Anlagen. Der Bauausdruck liegt dort meist in
der Hervorkehrung des Gemütvollen und Heimlichen, welche Gefühle
uns heute noch bei Betrachtung dieser oft sehr schlichten Anlagen
durchdringen. Die Mittel, welche da Anwendung fanden, diese
Stimmung hervorzurufen, bestehen seltener in reicher Architektur,
sondern beschränken sich auf ansprechend verteilte und behandelte
Mauermassen, auf einfache Tür- und Fensterumrahmungen, durch-
brochene Brüstungen, steigende Fenster und Simse der stets wechseln-
den runden oder polygonen Treppentürme, vorgekragte Galerien,
Altane und Erker in Stein oder Holz, sowie einfache Giebel und
Dachreiter. Bei der Anlage der auf kirchlicher Kunst fulsenden Höfe
kommen dann noch Kreuzgänge und Glockentürme, letztere auch als
Coulissentürmchen vor. Eigner Reiz ist dabei häufig durch verschieden-
artige Behandlung der Mauerflächen erzielt, die teils Bruchsteinmauer-
werk mit unregelmäisiger Quadereinfassung der Ecken, teils rauhe
oder glatte Putzflächen, teils durch Fachwerk belebte zeigen. Wird
nun bei einer solchen Anlage die Mauer noch an einzelnen Stellen
durch Efeu, wilden Wein oder andere Rankengewächse belebt oder
stehen an geeigneter Stelle Sträucher oder ein Baum, so kann das
Ganze noch anheimelnder wirken.