Full text: Fachbildung, Fachtüchtigkeit und jugendliche Lebensweise

auch gewöhnlich alles, was er mitführte. Nur auf seinen längeren Reisen 
musste er notgedrungen einen kleinen Koffer mitnehmen; dieser enthielt dann 
aber nur das Unentbehrlichste. Solche kleine Züge charakterisieren den ganzen 
Mann. In seiner Häuslichkeit soll Moltke bis in sein hohes Alter jede persön- 
liche Bedienung so sehr verschmäht haben, dass er in fast herber Weise ihm 
gebotene Hülfeleistungen habe zurückweisen können; von seiner Jugend auf 
war er gewöhnt, sich selbst zu helfen und zu bedienen. In Creisau, dem 
Grundbesitz, den er aus den ihm nach den Erfolgen des Feldzuges vom 
Jahre 1866 gewährten Dotationsmitteln erworben hatte, war sein Arbeits- 
zimmer nach den biographischen Berichten (Gesammelte Schriften und Denk- 
würdigkeiten, 1.. Band) höchst bescheiden eingerichtet, und in dem kleinen 
Raum, wo er zu schlafen pflegte, stand nur ein einfaches Bett und ein 
Waschtisch. 
Für einen Mann schlichten Charakters in bürgerlicher Stellung würden 
solche Thatsachen einer einfachen Lebensweise immerhin etwas, aber doch 
weniger zu bedeuten haben; bei einem Moltke sind sie aber ein Protest gegen 
die Standeskonvention und sagten daher auch den Nebenpaladinen der grossen 
Aktionen nicht immer zu. Ein weniger fester Charakter hätte sich der Lebens- 
weise und den Anschauungen des Milieu mehr oder minder angepasst. 
Auch in Moltkes Heirat, Anfang der Vierziger, mit einer sehr jugend- 
lichen Stiefnichte, die von seiner Schwester allem Anschein nach für diesen 
Zweck von vornherein erzogen war, also in diesem einzigen Punkt, in welchem 
einige Altersabnormität in Frage gebracht werden kann, ist es sichtlich das 
Bemühen um die strategische Erhaltung der einfachen Lebensweise gewesen, 
was zu diesem Schritt geführt hat. Der Stratege wollte es auch in seinem 
Hause bleiben und nicht nötig haben, auf doppeltem Felde, also ausser auf 
den Schlachtfeldern auch noch in seiner Wirtschaft Krieg zu führen. So 
liess er sich denn durch seine Schwester jemand von Kindheit an aufziehen, 
dessen Anbequemung und Folgsamkeit er unter den obwaltenden Umständen 
so ziemlich sicher sein konnte. 
Übrigens liegt hier auch der Schlüssel zu einem Charakterzug, der 
wichtiger ist als unwillkürliches und gleichsam instinktives Naturgenie. Der 
bedeutende Stratege hat sich in seine Fachsachen nie hineinreden lassen. 
In diesem Punkte war und blieb er souverän, und sogar die amtsgemässe 
Unterordnung unter den Staatschef war nur eine formelle. Im Fall eines 
sachlichen Konflikts von entscheidender Bedeutung hätte er eher seinen Ab- 
schied genommen als nachgegeben. Dieser unter Umständen heilsame 
Absolutismus, nämlich die dazu erforderliche geistige Festigkeit, stimmt sehr 
wohl zu und begreift sich auch teilweise aus der angedeuteten Lebensweise, 
der Lebensweise in der Funktion eines Feldmarschalls und Generalstabschefs 
„wie ein Sergeant“, um den vermeintlich spöttischen Ausdruck von Gegnern 
zu gebrauchen, die nicht wussten, welche Ehre sie damit unabhsichtlich aus- 
sprachen und bestätigten. — 
Eigentlichen Grössen, wie Moltke auf militärischem Gebiet anerkannter- 
massen eine ist, lässt sich im praktischen Bereich des Handels etwas völlig 
Analoges nicht zur Seite stellen. Der Handelsstand ist zwar nicht arm an 
hervorragenden Erscheinungen; aber berühmte Kaufleute sind eine Species 
von Celebritäten, deren Ruf vorzugsweise auf einer virtuosen Bethätigung 
des praktischen Erwerbstriebes beruht, welchem sich in späteren Jahren, wenn 
diesem Triebe Genüge geleistet ist, unter Umständen manchmal ausnahms- 
weise philanthropische Neigungen hinzugesellen. Ein typisches Beispiel dieser 
Art ist Ernst Wilhelm Arnoldi, der Gründer der Handelsschule und der auf
	        
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