Fachbildung, Fachtüchtigkeit und jugendliche
Lebensweise.
Über Fachbildung ist in neuerer und neuester Zeit viel geschrieben
worden und über kaufmännische Fachbildung im besondern vielleicht mehr
als genug. Wenn Fachtüchtigkeit bloss durch gute Fachbildungsanstalten
gesichert werden könnte, dann hätten litterarische und sonstige Anstrengungen,
die sich allein in dieser Richtung ergehen, auch ausschliesslich berechtigten
Wert. Indessen gediegene Fachbildung, also das Betreiben sorgsamer Fach-
studien und praktischer Bekümmerung um das Fach, sowie in späteren Jahren
ausübende Fachthätigkeit und zugehörige Fachtüchtigkeit — diese guten
Antriebe und Eigenschaften stehen in engster Beziehung zu einer zweckent-
sprechenden Lebensweise, namentlich der jugendlichen, der betreffenden
Elemente, und zwar ist letztere eine conditio sine qua non. Es mag daher
wohl nicht überflüssig erscheinen, die dem Herkommen nach eingebürgerten
Lebensführungen der verschiedenen Berufsstände bei den noch heranwachsenden
und sich ausbildenden Elementen und speciell deren Zweck- oder Unzweck-
mässigkeit dem kritischen Auge etwas näher zu rücken.
Einen besonderen Grund, derartige Betrachtungen grade an dieser
Stelle vorzunehmen, giebt der Umstand an die Hand, dass der jungen Kauf-
nannswelt in der Leipziger Handelshochschule seit Ostern 1898 eine Bildungs-
stätte eröffnet ist, an welcher sie sich in der bei Universitäten üblichen
akademischen Freiheit handelstheoretischen und auch allgemein wissenschaft-
lichen Studien widmen kann. Diese Annäherung der jungen Kaufmannswelt
an das Studententum, ja man könnte sagen, diese Amalgamierung der beiden,
bisher allgemein als recht heterogen angesehenen Elemente rollt eine ganze
Reihe von Fragen auf, von denen die nach der zweckmässigsten Lebensweise
der neuen und ganz eigen gearteten Handelsstudentenschaft nicht die un-
wichtigste ist.
Ganz besonders aber werden Eltern, deren Söhne sich der theoretischen
Ausbildung zum kaufmännischen Beruf bereits widmen oder erst widmen
sollen, wohl nicht ohne Interesse von Erörterungen eines Gegenstandes
Kenntnis nehmen, dessen Wichtigkeit für die Zukunft ihrer Kinder auf der
Hand liegt.
Auch für unsere Handelsschule hat die Frage eine eigentümliche Be-
deutung. Hochschule und Schule stehen augenblicklich noch in räumlich
engsten Beziehungen. Studentisches Wesen streift hier ein ihm ungleichartiges
Gesellschaftsgebiet, und eine Berührung der Sitten namentlich der annähernd
gleichaltrigen Elemente kann dabei nicht ausbleiben.
Student und junger Kaufmann: das waren bisher im gewissen Sinne
unversöhnliche Gegensätze nicht bloss äusserlicher Natur; auch das innerliche
Empfinden gegen einander war im allgemeinen wohl kein symmpathisches,