der Produktion vor, und als Vorbereitung gilt das auf die Ausbildung des
eignen Geisteslebens gerichtete wissenschaftliche Studium. Die Studienzeit
ist für ihn eine Übergangsperiode, die sich nach ihrer Grundtendenz als
eine nach innen gekehrte, aufnehmende und im gewissen Sinne passive Lern-
thätigkeit charakterisiert. Zwar verlangt der jugendliche Geist, wie überall,
so auch hier, nach einer positiven und nach aussen gerichteten Lebens-
bethätigung, doch dafür bietet ihm nur das gesellige Leben die einzige, aber
dafür um so willkommenere Gelegenheit. Der Trieb nach Mitteilung, der
lebendige Drang zum engeren Anschluss an Altersgenossen, das Bedürfnis
nach Freundschaftsbündnissen, zumal in Ermangelung eines direkten Familien-
verkehrs: alles dies erklärt zur Genüge den aktiven Faktor im akademischen
Leben, nämlich die eifrig gepflegte studentische Geselligkeit. Studium und
Geselligkeit sind somit die einzigen und eigentlichen Pole, um welche sich
das akademische Leben dreht. Von ihrem Verhältnis zu einander hängt ein
wesentlicher Teil des Erfolges, ja häufig sogar der ganze Erfolg und das
fernere Schicksal des Individuums ab.
Den prägnantesten, wenn auch nicht der Zahl nach stärksten Ausdruck
findet das gesellige Leben der Studenten in der durchschnittlichen Beschaffen-
heit des Verbindungswesens. Eine Charakteristik dieser eigenartigen Bethäti-
gung studentischen Gesellschaftslebens würde den Rahmen vorliegender Arbeit
überschreiten; es mag daher nur im allgemeinen darauf hingewiesen werden,
dass die dem Verbindungswesen eigentümliche, bis auf die gleichgültigsten
Handlungen herab sich erstreckende Reglementierungsmanie in Bezug auf das
gesellige Beisammensein schon an sich die partielle Unnatur in diesen Gebilden
in die Augen springen lässt. Die bunten Bänder und Mützen sind das harm-
loseste an der Sache, aber die commentmässig zur Norm erhobenen Extra-
vaganzen widerstreiten so erheblich einer dem Studium gedeihlichen Lebens-
weise, dass selbst — um studentisch zu reden — der entschiedenste Verächter
allen Philistertums, sofern er nur ein paar solide Grundsätze vom Elternhause
mitgebracht und sich zu erhalten vermocht hat, dieser Art Gesellschaftslehen
schwerlich prinzipiell das Wort reden dürfte.
Zum Glück beherrscht das Verbindungswesen heutzutage nur einen
verhältnismässig kleinen Bruchteil der Studentenschaft; da, wo es aber Wurzel
gefasst hat, treibt es nicht selten die allerüppigsten Blüten, zu deren Ent-
faltung von einzelnen Verbindungen zuweilen unsinnig grosse Summen auf-
gewendet werden. Im übrigen ist die entsprechende Lebensweise in ihren
Hauptzügen älter als man gewöhnlich annimmt und weit davon entfernt, eine
„Errungenschaft“ der modernen Zeit oder gar speciell der germanischen Rasse
zu sein. Die Geschichte des Studententums lässt sich bis in die römisch-
phönizische Rechtsschule von Berytos (Beirut) verfolgen, wo eigentliche Trink-
gelage schon damals Praxis gewesen sein sollen; ja die Agyptologen wollen
die Herrlichkeit sogar bis ins Urägyptische festgestellt haben. Wir Germanen
und Deutsche sind also wohl schwerlich die Urerfinder der todähnlichen Massen,
die in der Studentensprache den äusserst bezeichnenden Namen Bierleichen
tragen und die ja heute manchmal die Blüte der betreffenden Civilisation bilden
und davon Zeugnis geben, wie herrlich weit die Welt es in den historischen
Jahrtausenden und besonders wieder in den letzten Jahrzehnten gebracht hat.
Allerdings ist bei dieser Art Studentenleben die feudale Überlieferung
oder überhaupt diejenige von den waffentragenden Ständen und Personen
her nicht zu verkennen. Selbst Helden unserer Dichter liefern Beweise dafür.
Was ein Karl Moor in dem Schillerschen Räuberstück an Ausschreitungen,
Schuldenmachen und tollen Streichen gegen die sogenannten Philister während