Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

10 
derlich gewesen ist. Schon ihre Durchschnittsbildung bringt sie 
mit besserer oder schlechterer Belletristik und allem, was daran an- 
grenzt, mehr oder minder in Berührung, und vom Lesen zum 
Schreiben ist bei begabteren Naturen in diesem Genre kein grosser 
Schritt. Es giebt hier sogar Beispiele einer höheren; ja vielleicht in 
einer gewissen Beziehung wirklich hoch zu nennenden Ordnung von 
Leistungen, wofür George Sand ein sich der Erinnerung unwillkür- 
lich aufdrängender Fall ist. Diese Frau stand mit ihrer schrift- 
stellerischen Kunst doch wahrlich über einer Anzahl der namhaf- 
testen Schöngeister, die man bei uns wie, z. B. die Gutzkow, 
Gustav Freytag, Berthold Auerbach u. dgl. zu den ersten Roman- 
und Novellenvirtuosen gezählt und wohl gar zu grossen Schrift- 
stellern gestempelt hat. Das weibliche Geschlecht sollte jedoch auf 
die Auszeichnungen dieses Genres nicht zu stolz sein. Es möge be- 
denken, dass die Fähigkeiten, die sich hier zeigen, zwar bei den 
Männern ganz unbedenkliche künstlerische Verdienste im Gefolge 
haben können, in der Frage der weiblichen Freiheit aber darum 
nicht so wichtig sind, weil jenes Spiel mit der schöngeistigen Puppe 
den Weibern als eine unschuldige, wenig emancipatorische Beschäf- 
tigung noch am ehesten gegönnt wird. Es handelt sich aber grade 
darum, aus diesem Unterhaltungsgebiet herauszukommen und dem 
Ernst des Wissens und Lebens näherzutreten. Ueberhaupt wird die 
Bildungsfähigkeit zu allerlei künstlerischen Leistungen dem Weibe 
am wenigsten bestritten und der Weg dazu am wenigsten verlegt 
werden. Es ist aber nöthig, da einzudringen, wo sich die Bollwerke 
des bisherigen männlichen Monopols am ungefügigsten und die Vor- 
urtheile am verstocktesten erweisen. 
3.  Aerztliche Thätigkeit. 
Die praktische Anwendung der Wissenschaft findet sich in 
ihrer vollen Unmittelbarkeit nur da, wo durch sie auf das materielle 
Wohl und auf die Gesundheit der Menschen eingewirkt wird. Der 
blosse Lehrerberuf ist so zu sagen eine Zwischenthätigkeit und ist 
es am meisten da, wo er nicht die Anwendung der Wissenschaft 
auf das Leben, sondern nur die Beschaffung von allgemeiner oder 
vorbereitender Bildung zum Zweck hat. So werthvoll letzteres Ziel 
auch an sich selbst ist, so kann es doch in der Frauenfrage zunächst 
praktisch nur an zweiter Stelle in Betracht kommen. Der Gang 
der Dinge wird und muss hier derselbe sein, der er sonst bezüglich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.