Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

13 — 
Lauf der Dinge anheimzugeben, da sich ja doch nichts machen 
lasse, und zu der Frivolität der Wissenschaft oder vielmehr Un- 
wissenheit die Frivolität des Lebens durch Benutzung der Annä- 
herungen an die Weiber bei jeder günstigen Gelegenheit hinzuzu- 
fügen. Denkt man auch überdies an die mannichfaltige Rolle der 
ärztlichen Hauspriester, so wird man es nur um so mehr in der 
Ordnung finden, dass die medicinischen Beichtväter der weiblichen 
Bevölkerung doch wenigstens mit Beichtmüttern vertauscht werden, 
wenn es auch überhaupt von einem modern freien Standpunkt aus 
gar nicht angeht, eine Art ärztlicher Seelsorge, also irgend ein An- 
streifen der durchsichtig und klar sein sollenden Heilpraxis an das 
alte, dem Kindheitsstadium der Völker angehörige Heilpriesterthum 
zu gestatten. Eben um die Aerzte zu nöthigen, aus dem Nebel- 
reich, in welchem die Autorität ihres verschleierten Wissens oder 
Wissenwollens so schön gedeiht, an das Licht hervorzutreten, 
müssen ihnen Concurrentinnen beigegeben werden, die wenigstens 
in einem Hauptpunkte keine Veranlassung zu Mystificationen haben. 
Nach dem Vorangehenden würde den weiblichen Aerzten in 
der natürlichsten Weise mehr als die Hälfte, ja vielleicht zwei 
Drittel der ganzen Praxis gehören und mit der Zeit auch wirklich 
zufallen. In feineren Specialitäten, wie z. B. in der Augenheilkunde, 
würde aber jener Unterschied von geringerem Einfluss sein und 
auch die gemischte, nicht nach Geschlechtern getrennte Behandlung 
gelegentlich Platz greifen. Im Grossen und Ganzen würden sich 
die Aussichten der Frauen nicht schlecht stellen; denn es würde 
mindestens die eine Hälfte der Bevölkerung von ihren medicinischen 
Leistungen Gebrauch machen. Ueberdies käme noch ein besonderer 
socialökonomischer Vortheil von grosser Wichtigkeit hinzu. Medi- 
cinischer Rath und thatsächliche Heilhülfe würden von Seiten der 
Frauen nicht nur mit mehr Bekümmerung um das Einzelne und 
daher in mehr praktischer Weise, sondern auch um einen billigeren 
Preis zu haben sein. Zunächst ist unter den einmal gegebenen 
Verhältnissen die weibliche Thätigkeit stets weniger kostbar als die 
männliche; denn erstens sind die Herstellungskosten der weiblichen 
Arbeitskraft von vornherein geringer, und zweitens ist die Lage der 
weiblichen Bevölkerung in Rücksicht auf die Concurrenz vorerst 
eine ungünstigere. Muss nun auch letzterer Uebelstand mit der 
Zeit im Sinne der vollen Gleichheit verschwinden, so haben wir 
doch zunächst mit den gegebenen Thatsachen zu rechnen und 
müssen ihnen neben dem Schlimmen, das sie an sich tragen, auch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.