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der Halbheit seiner Lage herrührt und auch die gesteigerte Feind-
seligkeit gegen weibliche Concurrenz einigermaassen erklärt.
Die medicinische Thätigkeit ist im Bereich der Preussisch-Deut-
schen Gesetzgebung oder, um es amtlicher auszudrücken, innerhalb
des Reichsgebiets, insoweit ein freies, von allen Voraussetzungen un-
abhängiges Gewerbe geworden, als nicht der Titel Arzt oder irgend
eine solche Bezeichnung als Aushängeschild gebraucht wird, die bei
dem Publicum den Glauben erwecken würde, dass sich Jemand als
staatlich geprüfter Praktiker ankündige. Uebrigens mag Jedermann
und zufolge des Fehlens einer gesetzgeberischen Beschränkung auch
jede Frau die Heilpraxis ausüben. Dies ist wenigstens das Princip
und auch schon in ziemlichem Umfang eine Thatsache; denn die
Klagen der privilegirten Aerzte über die sogenannte Pfuschercon-
currenz sind gar gross. Indessen fehlt doch noch viel, dass alle
entgegenstehenden Inconsequenzen der alten Gesetzgebung dem
neuen Princip der Gewerbefreiheit eine vollere und würdigere Ent-
faltung verstatteten. Die Apothekerei beruht noch immer auf ver-
erbbarem Monopol und auf Concession mit herkömmlicher und that-
sächlich sehr enger Begrenzung der Anzahl dieser Medicament-
fabriken.
Der Hauptmangel aber, weswegen die an sich in dem gegen-
wärtigen Gesellschaftssystem durchaus heilsame Gewerbefreiheit zu-
nächst zu manchen Unzuträglichkeiten und zwar besonders für die
bisherigen Monopolisten führt, ist die Halbheit der Maassregel.
Auf der einen Seite hat man die medicinische Thätigkeit einiger-
maassen freigegeben, aber nur zu einer von vornherein degradirten
und daher schon deswegen nicht immer die besten Elemente an-
muthenden Ausübung. Auf der andern Seite hat man die bisherige
Monopolgruppe, welche jetzt nur noch halbprivilegirt ist, in dem
ungefügigen Gestell einer veralteten Bildungs- und Verbildungs-
zurüstung stecken lassen, ohne zu bedenken, dass auf dem freien
Markte des Lebens, wo zum Concurrenzlauf doch wohl Beine von
Fleisch und Blut gehören, das hölzerne Stelzenwerk der gymnasialen,
namentlich aber der universitären Dressur mit Altsprachlichkeit und
Scholastik ein nicht blos für die Hauptsache an sich hinderlicher,
sondern auch viel zu kostspieliger Apparat ist. Die vergeudete Zeit
und der im Hirn beengte Raum, wo etwas Besseres und Prak-
tischeres hätte Platz finden sollen, sowie die baaren Auslagen für
brodlose, auf Geistespedanterie auslaufende Künste, — das sind
Hemmnisse, durch welche die natürliche Gestaltung der Berufs-