Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

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den Charakter der Allgemeinheit und scheinbaren Unabhängigkeit 
von bestimmten technischen Berufserfordernissen annimmt, wo 
sich eine Menge von Vorkenntnissen als gemeinsame Grund- 
lage für eine grosse Zahl verschiedener Berufsthätigkeiten ausschei- 
det. Alsdann kann man nicht mehr sagen, dass es ein bestimmter 
Beruf oder eine abgegrenzte Gruppe von Berufszweigen sei, für 
welche ausschliesslich jene Bildungselemente als Vorbereitung dienen. 
Man befasst sich vielmehr in diesem Falle mit Kenntnissen und Ge- 
schicklichkeiten, die bei dem gegebenen Zustande der Gesellschaft 
nach allen Richtungen verwerthbar sind. 
Die Frage ist nun die, was für das weibliche Geschlecht an 
die Stelle der Gymnasien und Realschulen treten soll: Letztere 
beiden Gattungen sind freilich schon für das männliche Geschlecht 
sehr wenig motivirt. Sie beruhen entweder auf gar keinem Prin- 
cip oder mindestens nicht auf einem praktischen, welches gegen- 
wärtig noch sonderlichen Sinn haben könnte. Allerdings sind sie es 
und nicht die Universitäten, wo man allenfalls noch von allgemei- 
ner Bildung reden kann; denn auch die Deutschen Hochschulen, 
die auf ihren angeblichen Universalismus so gern pochen, sind doch 
in Wahrheit nur viergliedrige Fachschulen, in denen die einzelnen 
Hauptstudienzweige einander fremd und ohne gemeinsame Bestand- 
theile nebeneinander herlaufen. Die gymnasiale Bildung wäre also 
hienach die eigentlich allgemeine höchster Gattung; denn die Real- 
schulen gelten als eine Stufe tieferstehend und sind auch in vielen 
Beziehungen so angelegt, dass man ihnen ansieht, wie sie als Bil- 
dungsanstalten zweiten Ranges von gymnasiarchisch äusserst selbstbe- 
wussten Lehrplanfabricanten zurechtgemacht wurden. Nun giebt 
es aber in der weiblichen Sphäre nichts Thörichteres, als die sich 
seltsam verirrende Ambition nach gymnasialer Schulung oder, besser 
gesagt, Verschulung. Es hat mich stets seltsam angemuthet, ja 
manchmal gradezu bedrückt, wenn ich auf Fälle traf, wo besonders 
strebsame Eltern für ihre Töchter das Höchste an Bildung zu 
erreichen glaubten, wenn sie dieselben eben den Quälereien über- 
lieferten, denen der Geist der Knaben und jungen Leute auf den An- 
stalten für Latein und Griechisch preisgegeben wird. Die Gym- 
nasien sind zwar nicht sofort mit der Abgelebtheit und Ueberlebt- 
heit der Universitäten zu vergleichen; denn sie stehen an verhält- 
nissmässiger Regsamkeit doch weit mehr über dem mittelalterlichen 
Niveau; aber sie sind trotzdem arge Zeitwidrigkeiten und zwar nicht 
etwa blos in einzelnen Bestandtheilen ihrer Einrichtung, ihres Lehr-
	        
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