Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

29 — 
dung geliefert hat. Die sogenannten Lyceen aber, deren man eines 
in Berlin und einige verwandte Gegenstücke in andern  grössern 
Städten Deutschlands wesentlich als private Unternehmungen in 
Gang gebracht hat, können nicht im Entferntesten für etwas gelten, 
was sich in ein praktisches Berufssystem oder auch nur in ein rein 
theoretisch abgestuftes Bildungssystem einfügte. Ich werde hier nur 
nach dem Berliner Mustergebilde urtheilen, welches ich genau genug 
kenne, und an welchem mir, wie die letzte Nummer dieser Schrift zeigt, 
der Contrast zwischen systematischer Initiative und zerfahrener 
Mengselei von allerlei in unverbundener Planlosigkeit zusammenge- 
würfelten Bildungsvorlesungen , bald solchen der niedrigsten Art, 
bald solchen mit höheren Ansprüchen, nahe genug getreten ist. 
Schon der Name ist irreleitend; in Frankreich weiss man allerdings, 
was man für die männliche Jugend unter Lyceen zu verstehen hat; 
wir wenigstens denken uns diese Französischen Institute ziemlich zu- 
treffend , wenn wir sie ungefähr als Parallelen unserer Gymnasien 
betrachten. Nun ist aber das weibliche Lyceum in Berlin mit einem 
Gymnasium oder einer Realschule oder gar mit dem, was wir höhere 
Vorschule genannt haben, nicht im Mindesten zu vergleichen. Der 
Namengeber mag wohl an das Lykeion des Aristoteles gedacht 
haben; aber aus diesem Gesichtspunkt nimmt sich die Bezeichnung 
sogar noch linkischer und komischer aus. Den Namen müssen wir 
also in jeder Richtung ausser dem Spiele lassen und uns an die 
Sache halten, welche nichts Anderes als eine Vorlesungsanstalt und 
zwar zunächst für das Bedürfniss einer Art Bildungszerstreuung be- 
deutet hat. Das Schwergewicht des Interesse fiel bei dem theilneh- 
menden Publicum, wie leicht begreiflich, auf solche Fächer wie 
Kunstgeschichte und gelegentlich auch auf moderne Literatur, — 
immer aber auf solche Dinge, die den weiblichen Kreisen in ihrem 
bisherigen Bildungsgange bereits nahe gerückt waren. Nun ver- 
streute man aber in ganz zufälliger Gestalt, wie es eben jedem an- 
geworbenen Docenten beliebte, Ankündigungen von allerlei Vor- 
lesungscursen buntester Mischung und oft genug unzweckmässigster 
Art. Von mittelalterlichen Geschichtsliebhabereien gar nicht zu 
reden, mag nur als auf ein besonders humorerregendes Beispiel 
darauf hingewiesen sein, dass auch Griechische Literaturgeschichte 
unter den angebotenen, wenn auch grade nicht nachgefragten Vor- 
lesungen figurirt hat. Irgend ein leitendes Princip ist niemals vor- 
handen gewesen, und um Ernst in die Sache zu bringen, hätte selbst 
ein theoretisch noch so guter, aber blos allgemeiner Bildungsplan
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.